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Schlafen wie ein Schriftsteller im siebten Himmel: Das Ambassade Hotel in Amsterdam

Das Hotel

Wer das Besondere bevorzugt, ist hier absolut richtig aufgehoben: Das Ambassade Hotel befindet sich im historischen Grachtengürtel. Es ist auf zehn ehrwürdige Giebelhäuser verteilt. Das Licht am Abend aus den Zimmern schimmert gelblich im Wasser. Das Haus befindet sich in Privatbesitz. Eigentümer Wouter Schopman ist ein Kunstkenner, seine Sammlung verleiht dem Ambassade Hotel den Status eines Privatmuseums. Die wichtigsten Werke stammen von der einflussreichen Künstlergruppe COBRA.

Mehr als 4000 Schriftsteller haben im Ambassade Hotel genächtigt – und signierte Bücher hinterlassen

Als wäre das nicht genug, pflegen die führenden niederländischen Literaturverlage im Ambassade Hotel ihre Autoren einzuquartieren, wann immer diese in der Stadt sind. Das Resultat sind mehr als 4000 signierte Bücher, die in den Vitrinen der bibliotheksähnlichen Hausbar stehen. Zu den Schriftstellern, die hier genächtigt haben, zählen Salman Rushdie, Umberto Eco, und, jüngeren Datums, Jonathan Safran Foer. Wer nett fragt, darf die kostbaren Bücher auch in die Hand nehmen.

Wer nett fragt, darf in den kostbaren Büchern blättern

Seit 2015 beherbergt das Hotel auch seine eigene Brasserie. Die Kunstwerke an den Wänden (vorwiegend Wolvecamp) und das modern-sachliche Interieur rufen eine fast schon euphorische Behaglichkeit hervor, die am Gaumen ihre Fortsetzung findet. Dies alles böte Stoff für einen schwärmerischen Prosatext, doch etwas dergleichen sieht diese Kategorie nicht vor. Noch übrigens haben die Gastro-Führer das Lokal nicht entdeckt.

Der Wohlfühlfaktor

Als ungewöhnlich an diesem Hotel darf gelten, dass kaum etwas nicht besonders ist. Was mir von Anfang an positiv auffällt, ist die Herzlichkeit des Personals. Egal ob am Check-in, in der Bar oder in der Funktion des Concierges, scheint man hier einen gewissen Stolz zu verspüren, Teil eines großen Ganzen zu sein. In Zeiten des gewinnoptimierten Turbokapitalismus erlebt der Reisende dies nur noch selten, eine Beobachtung, die erst recht für eine weltweit geliebte Tourismushochburg gilt. Im Ambassade hingegen kann man sich dieses Privilegs sicher sein.

Wohlhabende Melancholiker können am Schreibtisch stilecht ihre Gedanken zu Papier bringen

Die Besonderheit

Die Maisonettezimmer sind zum Niederknien schön. Hier wurde lebendig, was mich Zeit meines Lebens als wiederkehrender Tagtraum beschäftigt hat: Einmal unter dem schmalen Giebel eines Amsterdamer Grachtenhaus zu nächtigen, mir vorzustellen, wer an dieser Stelle wohl vor 300 Jahren gelegen haben mag, und vor 200, oder vor 100. Aufzuwachen, von oben auf die Herengracht zu blicken und aus einem Fenster an der Dachschräge auf die verschwenderisch ornamentierten Wetterhähne früherer Jahrhunderte zu blicken. Das Frühstück aufs Zimmer kommen zu lassen. Und vorzugsweise das Hotel nicht zu verlassen, höchstens um ein paar Leckereien zu kaufen, oder einen Sancerre, der den Tag auf mustergültige Weise zu orchestrieren versteht.

Hotel-Gadgets

Ein derart geschmeidiges und gediegenes Haus benötigt keine Gadgets, um die Gunst des Gastes zu erwerben. Aber, wen es interessiert: In meinem Zimmer aber gab es Fußbodenheizung. Ein Detail für Architektur-Freaks: Die öffentlichen Räume des Hotels wurden 2015 von den spanischen Architekten Cruz y Ortis renoviert, die auch für die Neugestaltung des Rijksmuseum verantwortlich zeichnen.

COBRA-Kunst: Der Name verweist auf die Herkunft der Künstler, COpenhagen, BRüssel und Amsterdam

Der Wohlfühlfaktor

Ist in diesem Falle dem Maximum sehr nahe. Denn wie ich schon sagte: Im Ambassade Hotel wird man als Gast wie ein alter Freund behandelt und wie ein Edelmann umgarnt. Das Ambiente ähnelt einem Amsterdam aus dem Bilderbuch. Kunst und Literatur sind allgegenwärtig. So wird der Besuch wie ein Ausflug in eine bessere Welt. Ganz nebenbei: Die 2015 eröffnete Brasserie gehört zu meinen Lieblingsrestaurants in Amsterdam. Besonders reizvoll ist ein Platz am Fenster.

Der ideale Gast ist ein kulturbeflissener Genießer

Der ideale Gast des Ambassade Hotel

Hier ist die vorstellbare Palette breit gefächert. Paare, die sich einen unvergesslichen Aufenthalt gönnen möchten, wären zuvorderst zu nennen. Doch auch wohlhabende Melancholiker sind hier gut aufgehoben, die Subspezies der Feuilletonisten sowieso. Für den Durchschnittstourist ist der Zimmerpreis, der in der Nebensaison bei 170 Euro (abzüglich temporär erhältlichem Webseitenrabatt, ohne Frühstück) beginnt, sicherlich gesalzen. Dafür aber verspricht der Aufenthalt ein authentisches Stück Amsterdam, das sich im Gedächtnis auf alle Zeiten festsetzt.

Der Blick aus dem Fenster des Maisonette-Zimmers

Bewertung: 9,5 (von 10)

Technische Daten des Ambassade Hotel

Das Hotel verfügt über 56 individuell eingerichtete Zimmer. Es ist mit vier Sternen klassifiziert. Die Lage an der Herengracht ist ebenso reizend wie ruhig. Mobiliar ist durchaus klassisch, die technische Ausstattung gut. Das W-Lan ist kostenlos und schnell. Das Frühstück kostet zusätzlich 19,50 Euro pro Person. Es ist üppig portioniert. Wer sich das Frühstück aufs Zimmer bringen lässt, muss mit Filterkaffee vorlieb nehmen.

Ambassade Hotel, Herengracht 341

1016 AZ Amsterdam

Tel: +31 (0)20 555 0 222

E-Mail: info@ambassade-hotel.nl

www.ambassade-hotel.nl

Text und Bilder: Ralf Johnen, Januar 2017. Ich war für die Recherchen meines neuen Buches in Amsterdam. Das Ambassade Hotel hat uns den Aufenthalt ermöglicht. Mein Urteil ist davon unbeeindruckt.

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