Die Stromlinienförmigkeit unserer Gegenwart weckt in mir regelmäßig die Sehnsucht nach Geschichte und Geschichten aus zurückliegenden Jahrhunderten. Nach schiefen Häusern, engen Gassen und einer weit zurückliegenden Vergangenheit.
In den Niederlanden werde ich bei der Suche schnell fündig – und es müssen keineswegs immer nur die Top-Destinationen sein, die dem Ideal des „alten Holland“ entsprechen. Nicht weit hinter der deutschen Grenze etwa befindet sich mit dem Städtchen Zutphen ein perfekter Ort für einen schwelgerischen Tag.
Schon das Entree kann sich sehen lassen: Wer mit dem Auto kommt, passiert die Vispoortgracht. Die Anreise per Bahn führt mitten durch die Häuserzeilen der Altstadt. Und der Wasserweg auf der Ijssel zeigt eine Silhouette, die direkt Aufschluss über die Vergangenheit der Stadt gibt. Die Geschichte reicht fast 2000 Jahr zurück – und bereits im 9. Jahrhundert wurde in Zutphen ein ringförmiger Stadtwall errichtet, dessen Konturen bis heute sichtbar sind.
Seit dem 13. Jahrhundert gehörte Zutphen zu den sieben niederländischen Hansestädten. Der Handel mit Heringen, Butter und Bier hat den Kaufleuten einen Reichtum gebracht, der sich auch in der Gegenwart noch im Stadtbild niederschlägt.
Das kompakte Zentrum ist geprägt von Patrizierhäusern, von Kirchen und typisch niederländischen „Hofjes“. Auch die ehemaligen Stadtmauern sind gut erhalten – und sogar einige Lagerhäuser aus der Hansezeit sind noch intakt.
Die Häuserzeilen in den verschlungenen Gassen sind auf verschiedene Weise bemerkenswert: Sie strahlen eine gepflegte Gemütlichkeit aus, für die die Holländer das Wort „gezelligheid“ geprägt haben. Sie sind wohltuend windschief.
Und auf den sorgfältig restaurierten Giebeln zeugen Inschriften und Symbole (wie die drei Kronen als Verweise auf die Handelsrouten nach Schweden) nicht selten von der Hansevergangenheit. Einzigartig dürfte zudem sein, dass es in der Hansestadt Zutphen bis ins 19. Jahrhundert keine Hausnummern gab: Jedes Bauwerk hatte einen eigenen Namen, was die Zahlen entbehrlich machte.
Die Auen der Ijssel, die Cafés und Restaurants auf den historischen Plätzen, die Märkte, der kleine Yachthafen („Vispoorthaven“), zahlreiche Parks und viel Wasser verleihen der nur 47 000 Einwohner zählenden Stadt bis heute eine Aura, die viele Großstädte längst verloren haben. Eine echte Empfehlung für Fans von Grachten und Giebeln.
Weitere Informationen:
Über die Stadt im Allgemeinen
Ein virtueller Rundgang durch die Hansestadt Zutphen
Ralf Johnen, Juli 2014, Bilder: Ralf Johnen