Das Rijksmuseum in Amsterdam zeigt eine grandiose Ausstellung mit dem Spätwerk Rembrandts. Unter den 40 Gemälden ist auch die berühmte „Judenbraut“ – von dem einst Vincent Van Gogh verkündete, er würde für 14 Tage mit diesem Gemälde zehn Jahre seines Lebens geben. Nun, Frida van Dongen musste keine Lebensjahre opfern, aber vergaß vor dem intimen Gemälde ganz kurz die Zeit…
Gregor Weber weiß anschaulich über Kunsthistorie zu erzählen: „Als Rembrandt mit der Nachtwache fertig war, hatte er gewissermaßen einen Burnout“, sagt der Kurator der Blockbuster-Ausstellung bei der Eröffnung im Rijksmuseum. Ausgebrannt war der Künstler nicht nur von der Arbeit an dem monumentalen Gemälde, das nun ebenfalls im Rijksmuseum hängt. Gebeutelt war der große niederländische Meister (1606-1669) am Ende seines Lebens auch durch persönliche Schicksalsschläge: 1663 starb seine Frau, 1668 sein Sohn Titus, außerdem stand Rembrandt seit Jahren immer wieder vor dem finanziellen Ruin. Und doch war diese letzte Lebensphase ungeheuer reich und kreativ, wie Gregor Weber berichtet: „Rembrandt erfand sich noch einmal neu.“
Die Ausstellung „Der späte Rembrandt“, die bis 17. Mai zu sehen ist, zeigt 40 Gemälde, 20 Zeichnungen und 30 Drucke aus der Zeit von 1652 bis kurz vor Rembrandts Tod 1669. Museumsdirektor Wim Pijbes schwärmte bei der Eröffnung: „Das ist die spannendste und schönste Ausstellung, die man je gesehen hat.“ Tatsächlich eröffnen sich dem Besucher Einblicke in das Oeuvre des Malers, die zeigen, dass sich Rembrandt in seiner letzten Schaffensperiode von sowohl emotionalen wie auch künstlerischen Zwängen befreit hatte – und nun gelöst und für seine Zeit geradezu gewagt arbeitete. Seine Experimentierfreudigkeit ist enorm: so trägt er etwa zwei überlappende Farbschichten auf und bearbeitet diese mit dem Spachtel . Aufgeteilt in zehn Themen – darunter „späte Selbstporträts“ und den für Rembrandt so typischen Umgang mit Licht – zeigt die Ausstellung auf, warum der Künstler aus dem Goldenen Zeitalter uns auch heute noch so berührt.
Seine späten Porträts beispielsweise veranschaulichen, wie deutlich er sich von seinen Zeitgenossen unterschied: die Porträts waren nicht unbedingt immer schmeichelhaft, porträtierte Rembrandt doch möglichst realistisch und ungeschönt und versuchte, die Persönlichkeit des Porträtierten auf die Leinwand zu bannen. Besonders beeindruckt hat mich daher sein „Selbstbildnis als Zeuxis“: hier hat er sich als den berühmtesten griechischen Maler der Antike dargestellt, der dafür bekannt war, dass er gerne idealisierte Schönheiten malte. Für sein Gemälde hat sich Rembrandt – was wie ein Schabernack anmutet – einer unbekannteren Anekdote aus dem Leben des Zeuxis bedient: beim Malen einer alten, runzligen Frau soll der Verehrer der Schönheit sich fast totgelacht haben. Also sieht man auch auf Rembrandts Gemälde einen lachenden Maler, und ganz fein im Hintergrund, erst auf den zweiten Blick sichtbar, eine vom Leben gezeichnete Greisin.
Weiterhin fertigte Rembrandt Auftragsporträts reicher Kunden, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Allerdings testet er auch hier die Grenzen des Genres: ja, er musste natürlich den Porträtierten als seinen Geldgebern gerecht werden. Andererseits verstand er es auch hier, seinen eigenen Stil durchzusetzen. So malte er ca. 1663 mit „Reiterporträt von Frederik Rihel“ sein einziges Reiterporträt, das auch deshalb bemerkenswert ist, weil gewöhnliche Bürger im Holland des 17. Jahrhunderts normalerweise nicht in Reiterpose gezeigt wurden. Rembrandt stellte den Geschäftsmann und talentierten Reiter Frederik Rihel hoch zu Ross dar – wobei er das Pferd eher schemenhaft malte, wodurch die Kleidung und das Gesicht des Porträtierten noch besser zur Geltung kommen.
Ein weiteres großes Merkmal von Rembrandts Spätwerk ist seine intensive Beobachtung eines intimen Augenblicks. Schon früher hatte er ungewöhnliche Momente auf Leinwand gebannt, hatte dem Betrachter eine ungewohnte Perspektive zugewiesen, die ihn gewissermaßen zum Voyeurist machte. In seinem berühmten Gemälde „Die Judenbraut“ (ca. 1665) kommt dies besonders zur Geltung: ein Paar steht gedankenversunken nebeneinander, er hat die Hand zärtlich auf ihre Brust gelegt, sie erwidert die Geste mit einer Streich über seine Hand. Es ist ein derart berührendes Bild, dass ich zunächst warte, bis die drei, vier anderen Besucher weitergegangen sind – und ich mich ihm ganz alleine widmen kann, als Zeugin dieses intimen Moments zwischen zwei Liebenden.
Man sollte viel Zeit mitbringen für diese Ausstellung und es lohnt sich, die sehr gute deutsche Audiotour zu buchen (5 Euro). Wer danach noch mehr Lust auf Rembrandt hat, kann vom Rijksmuseum aus eine Rembrandt-Bootstour unternehmen oder einen Rembrandt-Spaziergang durch Amsterdam machen (ein Faltplan ist im Rijksmuseum erhältlich), der unter anderem zum Rembrandt-Haus führt oder zur Westerkerk, in der der berühmte niederländische Maler begraben wurde.
Frida van Dongen
Weitere Informationen: www.rijksmuseum.nl
Fotos: Rijksmuseum (2), Frida van Dongen (4)
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