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Wie auf LSD: Meine Begegnung mit Oranje

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Okay. Der Ball rollt. Die ersten Fehlentscheidungen sind getroffen. Und die Fans des Gastgebers haben es vorgezogen, ihre Tribünenplätze nicht für 90 Minuten in Anspruch zu nehmen. Schnee von gestern.

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Höchste Zeit für den Vizeweltmeister, ins Turnier einzusteigen. Höchste Zeit für eine Begegnung mit Oranje. Oder? In Holland sind sie sich da nicht so sicher. So wurde in der abendlichen Talkshow auf NOS Guus Hiddink gefragt, ob das Team nicht besser zuhause geblieben wäre. Und das lag nicht einmal am heutigen Duell gegen Spanien.

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Unsinn, meinte der bereits feststehende Nachfolger Louis van Gaals. Wer sich qualifiziert hat, soll auch spielen. Obwohl das Team so schwach ist, dass der Trainer sich dazu veranlasst sah, vom heiligen 4-3-3 abzurücken, um stattdessen mit einer Mauertaktik aufzulaufen: Blind, Martins Indi, Vlaar, de Vrij und Janmaat sollen die spanische Offensive bändigen.

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Nie von gehört? Kein Wunder. Bis auf Vlaar, der für das wenig glamouröse Aston Villa spielt, verdienen alle Verteidiger ihre Brötchen in der heimischen Eredivisie. Ebenso wie Torwart Jasper Cilessen. Und weil das so ist, traut man dem Team wenig bis nichts zu.

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Über die tatsächliche Stärke von Oranje allerdings sagt das wenig aus. Kommentatoren, Analysten und Schreiber nämlich kritteln notorisch an ihrer Mannschaft herum – anders als in Deutschland, wo auch nur eine gelungene Szene in einem Testspiel gegen, sagen wir, Armenien oder Albanien stets mit kraftvollen Prädikaten bedacht wird: „überragend“ oder „Weltklasse“ schallt dann unermüdlich aus den Lautsprechern.

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Nicht so in Holland. Wird in der Vorbereitung gegen Ghana (1-0) oder Wales (2-0) gesiegt, schreiten die Defätisten zur Tat: „Louis“, heißt es dann, „gewonnen heute Abend. Aber es war nicht zum Aushalten. Wie erklärst du das?“.

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Der kapriziöse Bondscoach weiß, dass er und die Spieler sich nun dafür verantworten müssen, die holländische Fußballschule mit ihrer Kernidee des vorbehaltlosen Angriffs und totaler Ballkontrolle nur unzureichend umgesetzt zu haben. Er antwortet auf die Anfeindungen nicht selten mit einem amüsanten Tobsuchtanfall. Auf eine erneute Erklärung seiner Philosophie verzichtet er gemeinhin.

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Van Gaal will gewinnen, statt sich in Eitelkeit zu sonnen. Also stellt er gegen Spanien fünf Männer hinten rein. Und er weiß: Wenn der Ball nach vorne kommt, warten dort Robben und van Persie. Und sollte einmal ein Rückstand aufgeholt werden müssen, hat er immer noch Klaas Jan Huntelaar.

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An den Fans geht die Diskussion scheinbar spurlos vorbei. Zumindest äußerlich, denn der Anhang lässt sich durch die Systemdebatten und die vermeintliche Schwäche der Abwehr nicht davon abhalten, eine typisch holländische Party zu feiern. Zu einer Begegnung mit Oranje gehören: Monochrome Outfit, Blaskapellen, Humor – und ein gewisser Hang zu Trash und Camp und Selbstironie.

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Die Innenstädte jenseits der Grenze sind schon im Vorfeld des Ereignisses gebührend mit Bällen, Fahnen, Transparenten, Flaggen, Plakaten und so weiter dekoriert. Kaum ein Einzelhändler nimmt sich heraus, auf kuriose Aktionen zu verzichten.

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Allerdings nimmt der Oranje-Wahn zuweilen beängstigende Ausmaße an: Die Hyacintenstraat im Westen von Maastricht ist komplett maskiert. Als ich hindurchgehe, fühle ich mich einer Bewusstseinsstörung nahe, als hätte mir jemand LSD verabreicht.

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Pokale und Parolen zieren die orangefarbenen Fassaden. Dazu Klompen, Hammer und rotweißblaue Knüppel. Zu meiner Beruhigung sehe ich, dass die Konkurrenz nicht augeschlossen wird: An einer Hauswand hängt gar ein Poster der deutschen Nationalmannschaft.

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Während ich am Tage des Eröffnungsspiels blinzelnd durch die Gegend laufe, werde ich von einem kleinen Jungen angesprochen. Er ist ungefähr sechs Jahre alt und dreht unbekümmert ein paar Runden mit seinem Bonanza-Rad. Was ich hier mache, möchte er wissen. “Ich wollte mal schauen, wie die Stimmung so ist”, antworte ich.

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“Naja”, sagt der Knirps. “Es ist ganz schön kommerziell geworden.“ Vor zwei Jahren bei der EM sei es viel cooler gewesen. Trotz des vorzeitigen Abgangs von Oranje. Dann ergänzt er: „Es wird Zeit, dass es endlich losgeht.“ Ich nicke zustimmend. Lasset den Ball rollen.

Ralf Johnen, 13. Juni 2014. Bilder: Ralf Johnen, Frida van Dongen (1)

Aussichten und Einsichten: Der Dom von Utrecht

Ein wahrlich leuchtendes Wahrzeichen

Ein wahrlich leuchtendes Wahrzeichen

Schon als kleiner Junge wollte er nichts lieber als Türme bauen. Türme für die Ewigkeit. Tatsächlich sollte der erwachsene Jan van den Doem den Auftrag erhalten, den mächtigen Domturm von Utrecht zu realisieren. Doch als dieser halb fertig war, ist Jans geliebte Frau gestorben. Der Dombaumeister hat sich aus Trauer ins Kloster zurückgezogen. Erst als alter Mann hat er noch einmal den Weg zurück in die Stadt gefunden. Schon aus der Ferne konnte er das 112 Meter hohe Bauwerk sehen. Der Architekt war ergriffen. Und er war zufrieden.

Dom von Utrecht

Going underground: Die Führung beginnt bei einer römischen Mauer

In einem Gewölbe tief unter der Erde werden wir mit dieser Geschichte auf die kommenden Stunden eingestimmt. Sie ist Bestandteil eines Animationsfilms, der die lange und anekdotenreiche Historie des höchsten Sakralbauwerks der Niederlande zum Thema hat. Und trotz einer leicht vagen Quellenlage beschließe ich in diesem frühen Stadium, die ebenso romantische wie melodramatische Episode zu mögen.

Missing Link: Die Verbindung vom Domturm zum Kirchenschiff fehlt bis heute

Missing Link: Die Verbindung vom Domturm zum Kirchenschiff fehlt bis heute

Bald ändert der Film seinen Tonfall. Wir schreiben das Jahr 1674, als ein Tornado über Utrecht hinwegzieht, der den mittleren Trakt des Kirchenschiffs zum Einsturz bringt. Nur der Ostflügel des Sakralbauwerks und der Domturm halten der Windhose stand. Die Trümmer des gotischen Doms erinnern in den kommenden anderthalb Jahrhunderte an das Naturereignis und die Anfälligkeit menschlichen Schaffens. Erst im 19. Jahrhundert werden sie entsorgt. Seitdem besitzt Utrecht einen Domplatz. Dieser ist erst auf den zweiten Blick merkwürdig. Er befindet sich zwischen dem Turm und dem an der Westseite zugemauerten Kirchenschiff.

Dom von Utrecht

Geometrische Romantik im Kreuzgang des Doms

Auch Jitte Roosendaal erzählt diese Geschichten Tag für Tag, meist während er die Besucher die 465 Treppenstufen hinauf zur obersten Plattform begleitet. Und der drahtige Mann weiß, dass die Utrechter noch immer mit diesem dunklen Fleck auf ihrer Vergangenheit hadern – obwohl der Domplatz zu einer Art Mittelpunkt des städtischen Lebens geworden ist, mit Demos und Konzerten.

Weißer Rauch steigt auf: Noch aber ist nicht beschlossen, ob der Dom wiederaufgebaut wird

Weißer Rauch steigt auf: Noch aber ist nicht beschlossen, ob der Dom wiederaufgebaut wird

„Es gibt auch heute noch Pläne, den Dom von Utrecht wiederaufzubauen“, sagt Roosendaal. Als späte Korrekturmaßnahme gegen den Willen der Geschichte, aber mit gebührendem Respekt vor der Langsamkeit mittelalterlicher Architektur: „Wenn wir bald anfangen, könnte der Dom 2074 wieder so wie einst aussehen.“ 400 Jahre nach seiner Zerstörung.

Treppe abwärts: Auf dem Weg nach "Dom under"

Treppe abwärts: Auf dem Weg nach “Dom under”

Der Kollaps des Kirchenschiffes, dessen Querverstrebungen unzulänglich befestigt waren, bietet indes auch Möglichkeiten. So konnte sich vor rund sechs Jahren ein Team von Archäologen unter dem Domplein auf die Suche nach Relikten aus vergangenen Epochen machen. Angetrieben von dem Wissen, dass der heutige Stadtmittelpunkt seit Römerzeiten besiedelt war, hofften sie dort eine Fülle von Ausgrabungen machen zu können, wie es sie in dieser Breite in den Niederlanden nicht gegeben hatte.

Multimediale Interaktion unter Tage

Multimediale Interaktion unter Tage

Herre Wynia hat die Ausgrabungen begleitet und anschließend zu einer unterirdischen Inszenierung aufbereitet. Mit fast kindlicher Begeisterung geleitet uns der Stadtarchäologe zu einer Treppe, die vom Domplein hinunter ins Erdreich führt. „Dom Under“ nennt sich der Raum, in dem die Fundstücke seit einigen Tagen als Dauerausstellung zu sehen sind.

Dom von Utrecht

Museumsdidaktik baut in 2014 auf sprechende Taschenlampen (Bild: Anna van Kooij)

In dem fast vollständig abgedunkelten Raum sind Überbleibsel jener Gemäuer zu sehen, die den Römern ab 48 n. Chr. als „Trajectum“ gedient haben, also als eine Art Fort. Zu den Funden gehören auch die Trümmer einer romanischen Kirche, die vor dem Dom an Ort und Stelle gestanden hat. Dazu Grabsteine und Skelette aus dem Mittelalter, aber auch eine Wasserleitung aus dem 19. Jahrhundert, mit deren Hilfe die Stadt nach einer Cholera-Epidemie endlich mit sauberem Trinkwasser versorgt werden konnte.

Später Ruhm: Ein Zeitgenosse aus dem Mittelalter auf dem Präsentierteller

Später Ruhm: Ein Zeitgenosse aus dem Mittelalter auf dem Präsentierteller

Kernbestandteil aber ist eine Sammlung von 44 Münzen aus dem 7. Jahrhundert, die Wynia und sein Team sichergestellt haben. Der Fund gilt als so bedeutend, dass er in den Abendnachrichten vermeldet wurde. Zudem hat er Wynia einen Auftritt bei „De Wereld draait door“ beschert, der populärsten Talkshow im holländischen Fernsehen. Mir erzählt er, dass die Ausgrabungsstätte Zeugnisse von fast 2000 Jahren Geschichte birgt – sowohl bezüglich der Konzentration als auch der Zeitspanne einzigartig in den Niederlanden.

Schattenspiele unter der Erde

Schattenspiele unter der Erde

Besucher können nur in kleinen Gruppen durch den dunklen Raum geschleust werden. Informiert werden sie von einem kuriosen Medium: Sprechenden Taschenlampen, die auf Knopfdruck Texteinspielungen von sich geben.

Feierliches Entrée: Der Aufgang zum Domtum

Feierliches Entrée: Der Aufgang zum Domtum

Zurück ans Tageslicht. Nun erklimme ich gemeinsam mit Jitte über steile Stufen den Turm. Unterwegs erreichen wir einige Plateaus. Wir sehen die 14 Glocken. Die älteste stammt aus dem Jahr 1405, die schwerste wiegt 6000 Kilo. Um alle für ein feierliches Konzert in Bewegung zu setzen, bedarf es 20 Glöcknern.

Jitte als Domglöckner

Jitte als Domglöckner

Weiter oben steht eine überdimensionale Musiktruhe, die der Stadt Tag für Tag den Sound des „alten Holland“ beschert. Es ist ein komplexes Gerät von enormen Ausmaßen. Zur Programmierung von vier kurzen Melodien müssen 800 Pins gesetzt werden – in zweitätiger Arbeit. Am 25. August wird die altertümliche Jukebox so getuned, dass sie Melodien von ABBA von sich geben wird.

Der Sound des alten Hollands kommt aus dieser Spieluhr

Der Sound des alten Hollands kommt aus dieser Spieluhr

Die Kammer in der Spitze des Turms ist normalerweise nicht zugänglich. Darin verbirgt sich neben dem tragenden Gebälk auch Streusalz für die Aussichtsplattformen – und ein Satz rotweißblauer Flaggen für besondere Festtage.

Grachten und Giebel in downtown Utrecht

Grachten und Giebel in downtown Utrecht

Der Blick reicht an diesem trüben Tag nur bis zum Stadtrand. Wenn es klar wäre, sagt Jitte, könnten wir am Horizont die Skyline von Amsterdam und manchmal auch von Rotterdam sehen.

Tag und Nacht eine Augenweide: Der Winkel van Sinkel

Tag und Nacht eine Augenweide: Der Winkel van Sinkel

Am Abend dann entfaltet der Dom von Utrecht eine bezaubernde Wirkung: Er ist gelblich illuminiert und von fast jedem Ort zu sehen. Mal versteckt er sich düsteren in Nebelschwaden, dann wieder scheint er kokett mit dem Mond zu flirten. Und der Dom von Utrecht kann tatsächlich kommunizieren: Über einen Sensor hat er Kontakt mit einer Bodenstation.

Blickkontakt zur Domspitze

Blickkontakt zur Domspitze

Wer auf der Stadthuisbrug einen ins Straßenpflaster eingelassenen Kompass betritt, kann dadurch ein Signal auslösen. Dann ist es fast so, als würde die Domspitze in Form eines Blinklichtes ein Augenzwinkern von sich geben.

Blaue Stunde in der City: Das Trajectum Lumen

Blaue Stunde in der City: Das Trajectum Lumen

Die Spielerei gehört zum Trajectum Lumen, ein Parcours, der die nächtliche Schönheiten der Stadt zaghaft zu betonen versucht. Das kleine Schauspiel kulminiert um Mitternacht, wenn eine Tirade von Lichtblitzen durch den Innenraum der Domspitze zuckt.

Spiegelbild in nächtlichem Antlitz

Spiegelbild in nächtlichem Antlitz

Die Inszenierung weckt bei mir Assoziationen an Sturm und Gewitter. Und ich verstehe, warum sich kein Utrechter dem Impuls entziehen kann, diesen Turm zu lieben und sich um sein Wohl zu sorgen.

Der höchste Autor der Stadt

Der höchste Autor der Stadt

Informationen:

Führungen durch die den unterirdischen Teil („Dom Under“) werden Di-So von 11 bis 16 Uhr jeweils zur vollen Stunde, mittwochs um 14 Uhr und samstags (11 Uhr) ist ein Archäologe dabei. Tickets kosten 10 Euro, in Kombination mit dem Domturm 15 Euro. Auch der Turm kann nur in Begleitung eines Führers bestiegen werden, Di-Sa von 11 bis 16 Uhr zur vollen Stunde, sonntags um 12, 14, 15 und 16 Uhr, montags von 12 bis 16 Uhr. Die Dombesteigung kostet 9 Euro.

domtoren.nl

domunder.nl

trajectumlumen.com

visit-utrecht.com

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Ralf Johnen, Juni 2014. Bilder: Ralf Johnen, Anna van Kooij (Dom Under, 1). Die Reise wurde von Visit Utrecht und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention unterstützt.

Guggenheim zu Gast im COBRA Museum

COBRA. Das klingt giftig. Und mit einer gewissen Giftigkeit gegenüber gesellschaftlichen und akademischen Normen waren auch jene Kreative ausgestattet, die am 8. November 1948 in Paris zusammenkamen, um eine der revolutionärsten Künstlergruppen der Nachkriegszeit zu gründen. Cobra aber verweist zugleich auf die Städte Copenhagen, Brüssel und Amsterdam, aus denen die Gründungsmitglieder stammten, unter ihnen Asger Jorn und Constant, Christian Dotremont, Joseph Noiret, Karel Appel, Carl-Henning Pedersen und Corneille.

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Heute gehört das Cobra Museum of Modern Art in Amstelveen bei Amsterdam zu den bekanntesten niederländischen Kunstmuseen und wird für seine Ausstellungen von Gegenwartskunst geschätzt. Bis zum 31. August sind dort Kunstwerke der Solomon R. Guggenheim Sammlung aus New York zu sehen.

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Unter dem Titel „From the Guggenheim Collection to the Cobra Museum. International Abstraction 1949-1960“ zeigt das Cobra Museum 51 Werke von 44 Künstlern aus der Sammlung abstrakter Kunst des 20. Jahrhunderts aus dem Guggenheim Museum. Dazu gehören eine Vielzahl Werke, die in den 1950er Jahren vom legendären Museumsdirektor James Johnson Sweeney angekauft und während der  Eröffnungsausstellung 1959 im inzwischen ikonischen  Bau von Frank Lloyd Wright in New York gezeigt wurden.

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Es ist das erste Mal, dass eine derart große Sammlung aus dem Guggenheim-Museum in den Niederlanden zu sehen ist. Ausgestellt sind Werke von Berühmtheiten wie Jackson Pollock, Mark Rothko, Willem de Kooning und Louise Bourgeoie sowie Werke weniger bekannter Künstler wie Willem Baziotes, José Geurrero und Conrad Marca-Relli. Gemälde von abstrakten Malern aus Europa, darunter die Cobra-Künstler Karel Appel, Asger Jorn und Pierre Alechinsky sind zum ersten Mal seit den 50er Jahren wieder in Europa zu sehen. Die gesamte Kollektion spiegelt die Vision des damaligen Guggenheim-Direktors Sweeney wieder, internationalen, abstrakten Künstlern angemessene Aufmerksamkeit zu schenken. Sweeney nannte sie „Tastebreakers“, was darauf hinweist, dass die Künstler bisherige Grenzen in der Kunst sprengten.

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Das Cobra Museum ist im Rahmen der neuen Ausstellung sieben Tage pro Woche ab 10 Uhr geöffnet. An drei Abenden pro Woche können Besucher in exklusivem Rahmen mit maximal 40 anderen Besuchern im Restaurant Le Petit Cobra dinieren und die Ausstellung besuchen. Die 4- und 5-Gänge-Menüs kocht der französische Sternekoch Didier Besnard. Es werden außerdem zahlreiche Lesungen organisiert, die die Guggenheim-Kollektion in eine breitere Perspektive bringen sollen. Dazu zählen Lesungen über die „kulturelle Marke Guggenheim“, das Phänomen „Tastebreakers“ und die Beziehung der Cobra-Kunstvereinigung zu Amerika.

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Weitere Informationen: www.cobra-museum.nl

Frida van Dongen im Juni 2014

Bildhinweise: Cobra-Museum Amstelveen (3); Guggenheim im Cobra Museum, Willem de Kooning Composition 1955 (1); Frida van Dongen (1)

425 Jahre Freundschaft: Der Oranjeball in Köln

Auch nach 425 Jahren gerne Gäste: Die Niederlande in Köln

Auch nach 425 Jahren gerne Gäste: Die Niederlande in Köln

Als die Niederlande ihre erste Vertretung in Köln eröffnet haben, drohte dem Dom noch das Schicksal, dauerhaft als unvollendete Ruine an die Blütezeit des Katholizismus zu erinnern. Dies nur zur allgemeinen Einordnung, die ja im Köln unserer Zeit vor allem dann gut funktioniert, wenn sie mit Referenz auf das identitätsstiftende Bauwerk vorgenommen wird.

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Der Dom hat später konkrete Formen angenommen, als die kölsch-niederländische Freundschaft

Dokumente belegen, dass unser Nachbarland bereits am 12. Oktober 1591 einen „Korrespondenten“ in Köln installiert hat – für eine jährliche Vergütung von 100 Gulden. Seinerzeit freilich hat noch mehr Diplomatiebedarf bestanden, als im vereinten Europa unserer Tage. Und so ist es keineswegs selbstverständlich, dass die Niederlande trotz des Sparkurses der Regierung in Person von Jean Möhring bis heute mit einem Honorarkonsul am Rhein vertreten sind.

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Das Moderatoren-Team: Sarah Lottner und Honorarkonsul Jean Möhring

Als Vorsitzender der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft hat Möhring nun gleich mehrere Anlässe gefunden, die gegenseitige Verbundenheit in Form eines „Oranjeballs“ zu feiern: Bald sind die Niederlande seit 425 Jahren in Köln mit einer Vertretung präsent – kein wirklich rundes Jubiläum, doch wahrscheinlich möchte man niemandem zumuten, noch 75 Jahre zu warten.

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Abwesend und doch dabei: König Willem Alexander und Prinzessin Maxima

Auch feiert das niederländische Königshaus dieser Tage sein 200-jähriges Bestehen. Und nicht zuletzt besitzen die Oranjes mit Maxima und Willem Alexander seit nunmehr zwölf Monaten ein Thronpaar von fast jugendlicher Anmutung.

Mit Spargelsalat und Kalbsrücken nimmt der Abend seinen Lauf

Mit Spargelsalat und Kalbsrücken nimmt der Abend seinen Lauf

Weil sich die beiden nur wenige Tage später zu einer Visite in Nordrhein-Westfalen angemeldet hatten, hielt sich im Vorfeld des Balls gar das Gerücht, dass Maxima und Willem Alexander zu den Besuchern gehören könnten. Doch auch wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllen sollte, so wurde es doch ein rauschendes Fest.

Glücksfee des Abends: Lisa vom Niederländischen Büro für Tourismus & Convention behütet den Tombolatisch

Glücksfee des Abends: Lisa vom Niederländischen Büro für Tourismus & Convention behütet den Tombolatisch

Begrüßt werden die rund 200 Gäste im Maritim mit einer Delikatesse aus Noord-Holland: Käsewürfel aus dem Hause Beemster. Nebenan steht ein Tisch, der opulent mit den Gewinnen der Tombola bestückt ist. Gegen 19 Uhr betritt Jean Möhring das Podium – gemeinsam mit der Co-Moderatorin des Abends, Sarah Lottner, ihres Zeichens Gemahlin von FC-Ikone Dirk Lottner.

Das Foyer des Maritim hat sich an den Anlass des Abends angepasst. Ein kleines bisschen.

Das Foyer des Maritim hat sich an den Anlass des Abends angepasst. Ein kleines bisschen.

Beide begrüßen die Ehrengäste des Abends, darunter die Grande Dame der Kölner Charity-Events, Charlotte Feindt, Angelica Schwall-Düren (SPD) als nordrhein-westfälische Ministerin für europäische Angelegenheiten, „Fernsehkoch“ Mario Kotaska und „Lotte“ selbst, der für den Ball das Endspiel der Champions League hat sausen lassen.

Catwalk Maritim: Eleganz auf dem Oranjeball

Catwalk Maritim: Eleganz auf dem Oranjeball

Um dem Ball gleich zu Beginn die mitunter bleierne Schwere eines gesellschaftlichen Events zu nehmen, treten noch vor dem ersten Gang die in der Tanzschule Stallnig Nierhaus organisierten Kinder zu einer HipHop-Performance an. Während am Tisch Spargelsalat, Kalbsrücken und Orangeneis serviert werden, wechseln sich auf dem Podium die Sandy Show Band (Partymusik aus mehreren Dekaden) und Swing-Sängerin Lilian Lito ab.

OB Jürgen Roters mit Gemahlin Angela,  Anouk Susan (Deutschlanddirektorin des NBTC) und Jean Möhring

OB Jürgen Roters mit Gemahlin Angela, Anouk Susan (Deutschlanddirektorin des NBTC) und Jean Möhring

Mittlerweile ist auch Oberbürgermeister Jürgen Roters beim Oranjeball eingetroffen, der einen schon bis dato ereignisreichen Tag in seiner Stadt (Erdogan-Besuch und Gegendemo, Biker-Treffen, Filmaufnahmen mit Anthony Hopkins und Ben Kingsley) erlebt hatte. Aber ein Highlight sollte noch folgen: Kurz nach Roters’ Ankunft tritt ein hochgewachsener Holländer nach vorne, der sich in Sachen Garderobe an diesem Abend für einen pinkfarbenen Rüschenanzug entschieden hat.

Jerry Gold übernimmt die Tanzfläche

Jerry Gold übernimmt die Tanzfläche

Der Mann nennt sich Jerry Gold. Im Alltag verdingt er sich als Blumenhändler, in seiner Freizeit pflegt er das Kulturgut des Schlagers. Meist auf Holländisch, gerne aber auch auf Deutsch. Beides – liegt es an der langjährigen Freundschaft? – ist auch der kölschen Seele nicht fremd, auch wenn diese Neigung hier meist der fünften Jahreszeit zugerechnet wird.

Das Publikum an Tisch 4 macht mit

Das Publikum an Tisch 4 macht mit

Aus den Lautsprechern dröhnt nun ein Gassenhauer nach dem anderen. Die Show beginnt standesgemäß mit einer XL-Version von „Tulpen aus Amsterdam“. Ein echter Eisbrecher, denn das Publikum folgt Jerry Golds Anweisungen blind: Bei den Sitznachbarn einhaken und im Sitzen rundum den Tisch schunkeln. Bald darauf das ganze im Stehen.

Bald ist der ganze Saal im Schunkelmodus

Bald ist der ganze Saal im Schunkelmodus

Nun dauert es nicht mehr lange, ehe die Ballbesucher zu ihren Stoffservietten greifen, um diese mit schwungvollen Bewegungen wie weiße Tauben aussehen zu lassen. Eine Spontan-Choreographie, die Jerry Golds Version eines Schlagers mit Leben zu erwecken, ein Lied, das sich seinerseits mit dem weit verbreiten Vogel befasst.

Eine bessere Welt IST möglich: weisse Tauben aus Stoffservietten

Eine bessere Welt IST möglich: weisse Tauben aus Stoffservietten

Plötzlich sagt Jerry: „Und du machst auch mit.“ Gemeint ist Roters, der sich nach seinem üblen Tag bereits im Feierabend- und Entspannungsmodus wähnte. Doch da hat er die Rechnung ohne Jerry gemacht. Das Publikum ist außer Rand und Band – der Beweis, dass auch die High Society den Versuchungen der Trash-Kultur nicht immer widerstehen kann. Das bedeutet: Jerry muss Zugaben geben. Und das, wie er sagt, „obwohl die Leute normalerweise immer froh sind, wenn dieser komische Holländer endlich abhaut“.

Zu guter Letzt muss auch Jürgen Roters dran glauben

Zu guter Letzt muss auch Jürgen Roters dran glauben

Ein Höhenflug: Jerry nimmt Charlotte Feindt auf den Arm

Ein Höhenflug: Jerry nimmt Charlotte Feindt auf den Arm

Gruppenbild mit Tisch 4

Gruppenbild mit Tisch 4

Von der spontanen Euphorie profitiert in der Folge auch die Sandy Show Band, die nun leichtes Spiel hat, Besucher aufs Parkett zu locken. Einer allerdings lässt sich noch immer keine Emotionen anmerken: Dirk Lottner. Der einstige Freistoßspezialist macht seinem Spitznamen als „Herr der ruhenden Bälle“ alle Ehre, indem er auch beim Oranjeball eher regungslos am Tisch verweilt.

Diplomatische Annäherung: Jean Möhring, Alexandra Klaus (NBTC) und Thomas Läufer, Botschafter a.D. in Den Haag

Diplomatische Annäherung: Jean Möhring, Alexandra Klaus (NBTC) und Thomas Läufer, Botschafter a.D. in Den Haag

Wie sich gegen 1 Uhr im Raucherkubikel des Maritim (dessen Existenz der Gesundheitsministerin offenbar entgangen ist) herausstellt, haben Lotte und Jerry mittlerweile Freundschaft geschlossen. Die beiden Herren sind sich einig, dass der Ball ihre Erwartungen übertroffen hat – und zwar bei weitem. Der beste Beweis: Sie sind noch nicht nach Hause gegangen, sondern wähnen sich vielmehr als Teilnehmer eines großen Abends.

Hauptgewinn: Anouk Susan mit dem Gewinner eines Fahrrades aus dem Hause Koga

Hauptgewinn: Anouk Susan mit dem Gewinner eines Fahrrades aus dem Hause Koga

Gegen 2.30 Uhr aber ist der Tombola-Tisch abgeräumt. Auch die jeweils zehn Reiseführer über Amsterdam und Köln aus der neuen Reihe Merian Momente haben dankbare Abnehmer gefunden. Der OB schläft den Schlaf der Gerechten, schließen müssen sich die Kollegen aus der Ratsfraktion am kommenden Tag zur Wahl stellen. Als auch der DJ seinen Koffer gepackt hat, befindet der Rest vom Schützenfest: Dieser denkwürdige Abend hat einen Absacker verdient. Also schreitet Jerry zur Bar, um die Gesellschaft mit einem Kölsch-Kranz zu beglücken. Dieser wird feierlich mit Blick auf den Dom unter freiem Himmel eingenommen.

Herren und Damen des ruhenden Balls: Dirk Lottner, Alexandra Klaus und Autor Ralf Johnen

Herren und Damen des ruhenden Balls: Dirk Lottner, Alexandra Klaus und Autor Ralf Johnen

Ein würdiges Ende – welches Jerry mit dem Geständnis garniert, dass seine Partnerin Pauline und er nun auf die andere Rheinseite nach Deutz spazieren werden. Dort haben die beiden ihren Wohnwagen geparkt. Und obwohl sie auch ein Appartement in Köln besitzen, ziehen sie es vor, dort zu nächtigen. Mit Blick auf jenen Fluss, der die Niederlande und Köln schon seit so langer Zeit verbindet.

 Die Deutsch-Niederländische Gesellschaft zu Köln wurde 2000 gegründet.

Ralf Johnen, 25. Mai 2014. 

Grachten und Giebel in Haarlem

Willkommen bei Grachten und Giebel

Ein Magazin über Holland. Oder, wer das lieber lesen mag: Ein Portal über die Niederlande. Mit Geschichten und Anekdoten über Städte und Strände. Über Design, Architektur, Mode  und Kultur – und manchmal auch über Fußball. Mit Rezensionen von Hotels, Restaurants und Museen. Und nicht ohne Ausflüge auf Kanäle und Inseln.  Aus dem Spannungsfeld zwischen einer reichhaltigen Historie und bedingungsloser Moderne. Für gelungene Tage und Wochen – mit dem Holland Blog Grachten und Giebel.

Entschleunigung in elf Etappen: Die Elfstedentocht in Friesland per Boot

Elfstedentocht per Boot04

“Kann man das Ding abschließen?”, möchte ein Anfänger wissen. Ein anderer fragt, ob das alles wirklich ohne Führerschein gehe. Doch selbst wenn die Worte der Wassersportnovizen noch so weltfremd klingen –  Johan Potma weiß mit der Unbeholfenheit umzugehen: der zwei Meter große Friese ist nicht aus der Ruhe zu bringen Weiterlesen