Das alte Holland, Flevoland
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Insel wird Festland: Urk in der Provinz Flevoland

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Wenn eine Insel zum Festland wird, das Meerwasser sich von salzig zu süß wandelt und in der Folge Mücken- und Spinnen-Plagen über die Menschen hereinbrechen – dann drängt sich der Gedanke an biblische Prüfungen auf. Doch die Wandlungen, denen die Bewohner der niederländischen18.000-Seelen-Ortschaft Urk ausgesetzt wurden, waren von Menschen gemacht: Einst eine Insel in der Zuiderzee, wurde Urk 1939 zum Festland, als man den Nordostpolder trockenlegte. Die Zuiderzee nannte man nunmehr Ijsselmeer, das Wasser verlor sein Salz, und in der Folge surrten die Insekten über das ehemalige Eiland.

Paar in Tracht im Westhaven von Url

Die Bewohner von Urk ertrugen es mit Gleichmut, als sei nur eine Böe an ihnen vorbeigezogen. Im historischen Zentrum werkeln sie heute wie einst an ihren kleinen Häusern mit den hübschen Holzgiebeln, grüßen sich in den Gässchen beim Vornamen, lauschen nach einem der 20 Kirchen- und Männerchöre und fahren immer noch von dem Fischerhafen unterhalb des weißgetünchten Leuchtturms zur See. Der Fischfang und -handel ist nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Urker.

vis en klederdracht Urk

Nicht nur durch den Fischfang, sondern auch wegen der Religiosität der Bewohner ist der Name Urk den meisten Niederländern ein Begriff. Die Ortschaft in der Provinz Flevoland gilt nach wie vor als die frommste Gemeinde unseres Nachbarlandes. Das Städtchen zählt 17 Kirchen, sonntags drängen sich die Gläubigen in den Gotteshäusern. Und weil die protestantischen Urker ihren Glauben pflegen, geben sie angeblich mehr für wohltätige Zwecke aus als in jedem anderen Ort in Westeuropa. Die Statistik schreibt der Frömmigkeit zudem die Tatsache zu, dass die Geburtenrate hier mit 3,23 Kindern pro Frau die höchste in den Niederlanden ist. Und die Kinder werden natürlich nicht beim Geschlechtsakt gezeugt, sondern einer Urker Legende zufolge von einem Storch auf einem Felsen vor der Küste des Ijsselmeeres abgelegt, wo die Männer hinrudern, um die Babys abzuholen – zum „Ommelebommelestien“.

Haven Urk

Auf diesen Ommelebommelestien deutet Jaap Koffeman, als er am Fischermonument steht und von der Anhöhe auf das Ijsselmeer blickt. Der Pensionär führt Besucher durch seinen Geburtsort, und nach einer Tour durch den Ortskern, vorbei am Hafen mit seinen alten Holzschiffen und dem Leuchtturm, steht er nun vor Gedenktafeln, die an verstorbene Fischer erinnern: bei Sturmfluten oder Schiffsunglücken ums Leben gekommene Seeleute. Das Fischermonument ist bedeckt mit Blumen, Kränzen oder Gebinden mit Seester- nen und Muscheln. „Es gibt keine Familie aus Urk, die hier niemanden zu betrauern hat“, meint Koffeman und wischt sich eine Träne aus dem Auge. Wenn Koffeman von seinem Heimatort spricht, sagt er „op Urk“, als wäre das Städtchen noch immer eine Insel. „Das Inselgefühl ist noch immer da“, bestätigt er dann auch, und es klingt fast ein wenig trotzig, wenn er dabei über das Ijsselmeer schaut.

Boulevard Urk

Das Museum „Het Oude Raadhuis“ ist im ehemaligen Rathaus von 1905 untergebracht. Hier wird die ungewöhnliche Geschichte der ehemaligen Insel und ihrer Bewohner erzählt. Besonders sehenswert ist eine alte Fischerwohnung: Sie wird in den Sommermonaten von ehrenamtlichen Darstellern „bewohnt“, die in Urker Tracht von vergangenen Zeiten erzählen.

Frida van Dongen im Juni 2014. Die Reise wurde vom Tourismusbüro Flevoland und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Covention unterstützt.

Fotos (5): Toerisme Flevoland

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