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Fahrradsafari mit Van Gogh in der Veluwe

Wir sind ganz allein mit Van Gogh. Vincent, möchte man ihn kumpelhaft rufen, so intim ist die Atmosphäre in dem menschenleeren Saal. Wir stehen einsam vor der „Caféterrasse bei Nacht“, drücken uns fast die Nasen platt vor dem „Porträt von Joseph Roulin“. Die „Kartoffelesser“ haben wir auch schon bestaunt, ohne dass wir asiatische Touristen weg boxen mussten. Selbstverständlich ist das Kröller Müller-Museum nicht immer derart publikumsarm, aber an diesem Freitagnachmittag haben wir Glück – und das Privileg, die mit 40 Werken zweitgrößte Van Gogh-Sammlung der Welt exklusiv bewundern zu dürfen. Das Museum ist auch noch in anderer Hinsicht bemerkenswert, denn es kommt ausschließlich mit Naturlicht aus. Auch besitzt es einen 25 Hektar großen Skulpturenpark mit rund 160 Standbildern namhafter Künstler. Das Ungewöhnlichste an dem Ausstellungshaus aber ist seine Lage: es befindet sich mitten im Nationalpark De Hoge Veluwe.

Bild: Frida van Dongen

Allein mit Vincent Van Gogh im Kröller Müller Museum

Kostenlose Fahrräder überall im Park

Als wir uns  von Vincent verabschiedet haben, schnappen wir uns zwei der kostenlosen Fahrräder, die vor dem Museum stehen. Insgesamt 1800 der weißen Drahtesel stehen an den Eingängen des 55 Quadratkilometer großen Nationalparks und an verschiedenen Orten im Park selbst bereit. Wir starten unsere kleine Safari. Gut 40 Kilometer autofreier Radwege führen durch den Park. Erst durch einen Mischwald, der bald einer Heidelandschaft weicht. Der Boden wird nun von Pfeifengras bedeckt, nur gelegentlich baut sich am Horizont eine knorrige Kiefer auf, die hier ausreichend Platz genießt, um ihre Zweige in sicherem Abstand zum Stamm auf dem Boden abzulegen. Langsam erinnert die Szenerie tatsächlich ein wenig an – Afrika.

Foto: Frida van Dongen

Autor Ralf Johnen gönnt sich ein Päuschen in idyllischer Umgebung.

Plötzlich sehen wir immer mehr kleine Gewässer, die das Land in schneller Abfolge durchziehen. Ein sicherer Indikator sind die weißen Farbtupfer des Schmalblättrigen Wollgrases, die an den Ufern das Grau des heutigen Tages durchbrechen. Auf dem Stamm einer abgestorbenen Kiefer legen wir eine Pause ein und treffen den Förster Henk Ruseler. Der Baum erweckt den Eindruck, als wäre er von einer Windhose oder anderen Kräften hier abgelegt worden, denn er befindet sich inmitten einer Sandfläche, die so groß ist wie ein paar Dutzend Fußballfelder. Der Jeep von Parkranger Henk könnte, je nach Blickwinkel, auch in der Wüste stehen.

Bild: Ralf Johnen

Parkranger Henk Ruseler lebt im Nationalpark De Hoge Veluwe und nahm uns mit auf Safari

Hoge Veluwe bietet diverse Landschaften auf engem Raum

Henk ist einer von nur zwei Menschen, die innerhalb der Grenzen des Nationalparks wohnen. »So viele unterschiedliche Landschaften auf so engem Raum«, sagt er, »das ist schon etwas Besonderes«. Bis zu 20 Meter hoch sind die Wanderdünen in der Hoge Veluwe. Hier, im Dreieck zwischen Apeldoorn, Amersfoort und Arnhem leben korsische Wildschafe, Hirsche, Wildschweine und jede Menge Raubvögel. Fast alle können an Wildständen mit Hilfe von Ferngläsern beobachtet werden, am besten am frühen Abend.

Hotels oder Herbergen gibt es im Park nicht, wohl aber könnten wir zelten. Wir haben uns aber für einen Freitagabend in Arnheim entschieden, eine Stadt, die wir nicht sonderlich gut kennen, obwohl wir bei fast allen Bahnfahrten in die Niederlande mit dem ICE hindurchgefahren sind. Hunderte Male. Arnheim ist Heimat einer Kunsthochschule für Mode und Design, was sich im Stadtbild unter anderem in Form des Modeviertels Klarendal mit zahlreichen Boutiquen und maßvoll hippen Bewohnern niederschlägt.

Foto: Ralf Johnen

1800 gratis zu nutzende Fahrräder stehen im gesamten Nationalpark bereit.

Spektakuläres Jagdhaus der Familie Kröller-Müller

Am nächsten Tag fahren wir zurück in den Nationalpark. Heute steht wieder Kultur auf dem Programm, das Jagdhaus der Familie Kröller-Müller. Das gesamte Areal des heutigen Nationalparks wurde im frühen 20. Jahrhundert vom Unternehmerpaar Anton Kröller und Helene Kröller-Müller aufgekauft und später gestiftet. Helene war die Tochter eines deutschen Stahlproduzenten, die sich fast schon fanatisch für zeitgenössische Kunst interessierte. Anton entstammte einer Reedereifamilie aus Rotterdam. Gemeinsam waren beide vorübergehend reicher als das niederländische Königshaus.

Ihre Geschichte bietet Stoff für Romane, doch um es kurz machen, ist der Nationalpark Hoge Veluwe wie er heute existiert, ihr gemeinsamer Verdienst. Die Hochkultur der Moderne hat hier auf fast natürliche Weise Einzug erhalten. So haben die Kröller-Müllers für den Bau des Jagdhauses St. Hubertus den niederländischen Stararchitekten Hendrik Petrus Berlage engagiert. Zudem hat Helene eine der weltweit bedeutendsten Kunstsammlungen der Epoche zusammengekauft – sie war die erste, die Van Gogh-Gemälde sammelt. Jene, die heute in dem nach dem Ehepaar benannten Museum hängen. Die Worte von Parkranger Henk haben wir nicht vergessen: »Es ist ein Witz, dass Tausende Menschen sich stundenlang vor dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam anstellen. Da hängen nur die Leftovers.« Alles andere habe Helene Kröller-Müller gekauft.

Foto: Frida van Dongen

Unterhaltsam und lehrreich ist eine Führung durch das Jagdhaus.

Wieder schnappen wir uns eines der 1800 kostenlosen Fahrräder, um zunächst an einer Führung durch das Berlage-Jagdhaus teilzunehmen. Als wir uns dem Bau näheren, schwant uns: das hier dürfte zu den spektakulärsten Bauten gehören, die wir je gesehen haben. Ein Backsteinhaus an einem See mit zwei symmetrischen Flügeln, die von einem trutzigen Turm überragt werden. Wes Anderson könnte sich für seinen nächsten Film kein geeigneteres Setting ausmalen.

Foto: Frida van Dongen

Abgefahren symmetrisch: das Jagdhaus in der Hoge Veluwe

Die Inneneinrichtung zeugt von Pioniergeist, erlesenem Geschmack – und einem ungeheurem Vermögen. Ähnlich und doch anders als der große Frank Lloyd Wright, hat sich Berlage den Prinzipien der organischen Architektur verschrieben, fast all seine Materialien aus der Umgebung bezogen, rohe Stahlträger integriert und bis zum letzten Möbelstück alles selbst entworfen. Ja, er horcht den Prinzipien der Neuen Sachlichkeit, aber das Haus ist auch auf abgefahrene Weise versponnen.

Bild: Frida van Dongen

El Bloggerino radelt für sein Leben gerne – vor allem durch Holland!

Radfahren in der Hoge Veluwe:

Der Nationalpark ist vom Ruhrgebiet mit dem Auto bequem in anderthalb Stunden erreichbar. Wer in Arnheim ein Rad mietet, kann auch den ICE von Köln, Düsseldorf, Duisburg oder Oberhausen nehmen (Fahrtzeit zwischen 45 und 100 Minuten).

Zum Radfahren in der Hoge Veluwe ist der Nationalpark täglich geöffnet, am längsten in den Monaten Juni und Juli (8 bis 22 Uhr). Der Eintritt kostet 9,15 Euro (4,60 Euro ermäßigt), für ein Auto kommen 6,50 Euro hinzu. Die 1800 weißen Fahrräder dürfen umsonst benutzt werden.

Wer beim Radfahren in der Hoge Veluwe das Kröller-Müller-Museum besuchen möchte, kann dies tgl. außer montags von 10 bis 17 Uhr. Dies geht nur in Kombination mit einer Tageskarte für den Park, was 18,30/9,20 Euro kostet.

Führungen durch das Jagdhaus St. Hubertus werden regelmäßig angeboten (45 Minuten, 4 Euro).

www.hogeveluwe.nl/de

Für den Aufenthalt in Arnheim empfehlen wir das Hotel Modez, dessen Zimmer individuell von Designern eingerichtet wurden. Lecker gegessen haben wir im Restaurant Bij Luthers (Luthersestraat 7) für die Stunden danach drängt sich das Café Tape (Hommelstraat 66) auf.

Text: Frida van Dongen & Ralf Johnen, Bilder: Ralf Johnen. Die Geschichte über die Hoge Veluwe ist in Kooperation mit dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention (NBTC) entstanden und ist Teil der Kampagne www.lekkerradeln.de

 

 

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