Zur Eröffnung der Mark Rothko-Ausstellung im Gemeentemuseum Den Haag kam Rothkos Sohn Christopher als Ehrengast. Frida van Dongen war auch eingeladen und ließ sich von den großformatigen Bildern aufsaugen.
„Nein, ich durfte niemals bei meinem Vater im Atelier sein. Er brauchte dort absolute Ruhe“, erläutert Christopher Rothko, während er gemeinsam mit Benno Tempel, Direktor des Gemeentemuseums in Den Haag, an den riesigen Farbflächen vorbeigeht. Rothko, geboren 1963, war nicht viel Zeit mit seinem berühmten Vater Mark vergönnt, der sich 1970 in seinem Atelier in New York das Leben nahm. Dennoch gibt Rothko Junior den internationalen Journalisten als Ehrengast der Ausstellungseröffnung ein paar persönliche Einblicke in das Leben des berühmten Malers, der zeitlebens von Depressionen geplagt wurde und doch so vielen Menschen bis heute mit seinen emotionalen Werken Trost spendet.
Die Ausstellung, die Rothkos Sohn in dem von Berlage entworfenen Art-Deco-Prachtbau in Den Haag zu sehen bekommt, ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert: zum einen, weil in der bis zum 1. März 2015 laufenden Schau unter den 40 Werken neben Rothkos „Classic Style“ mit den berühmten Farbflächen auch das Frühwerk des amerikanischen Künstlers gezeigt wird. Zum anderen, weil Rothkos Oeuvre in Beziehung zu dem Künstler gesetzt wird, mit dem er so oft verglichen wurde und von dem das Gemeentemuseum die weltgrößte Sammlung an Bildern besitzt: Piet Mondrian.
Weil Rothko die Interaktion mit dem Betrachter seiner Werke wichtig war, hat der Künstler detaillierte Anweisungen verfasst, wie und in welcher Umgebung seine Bilder zu hängen seien. Die Macher der Ausstellung im Gemeentemuseum haben dies berücksichtigt. So findet sich der Besucher des ansonsten von freundlichem Tageslicht erhellten Gemeentemuseums diesmal in gedimmten Räumen wieder, mit niedrig gehängten, überlebensgroßen Farbflächen, die einen aufzusaugen scheinen.
„Die flimmernden Farbschichten haben eine unglaubliche Intensität“, erläutert Franz W. Kaiser, Chefkurator des Museums, und ergänzt, dass die Farbtiefe durch das dämmrige Licht noch erhöht wird. Wer schon einmal die Rothko Chapel in Houston (USA) mit ihren hohen Decken besichtigen durfte, wird vielleicht zunächst ein wenig enttäuscht sein, dass die riesigen Leinwände im Gemeentemuseum zuweilen ein wenig eng nebeneinander platziert sind. Doch wer in die gekachelten Kabinette des Museums vordringt, wo einzelne Werke Rothkos präsentiert werden, steht ehrfürchtig vor dieser wunderbaren Allianz aus Architektur und bildender Kunst.
Benno Tempel gibt in seiner Einführung keine Gebrauchsanleitung für die Ausstellung. „Natürlich kann man chronologisch vorgehen“, sagt der Museumsdirektor und verweist auf frühe Bilder wie „Metro Fantasie“ von 1940, wo Mark Rothko noch den figurativen Stil pflegte, bis er sich vom figürlichen verabschiedete und ab Ende der 1940er Jahre seinen inzwischen berühmten „Classic Style“ etablierte. Man könne aber auch einen emotionalen Weg durch die außergewöhnliche Schau wählen: sich von den sehr persönlichen Werken verschlingen lassen, die universelle Gefühle wie Angst, Ekstase, Tragik und Euphorie darstellten.
Welchen Weg auch immer man wählt: wahrscheinlich werden die meisten Besucher am Ende vor zwei nebeneinander platzierten Gemälden Piet Mondrians und Mark Rothkos stehen. Die beiden Pioniere der abstrakten Kunst sind hier mit ihren jeweils letzten Werken vertreten: Mondrian mit seinem „Victory Boogie Woogie“ (1940), mit dem der große niederländische Künstler das Leben und die Freiheit feiert. Daneben Rothkos unbetiteltes, für seine Verhältnisse kleinformatige Gemälde: in schreiendem Rot, als habe der von Seelenkummer geplagte Mann sich ein letztes Mal aufgebäumt und all seine Emotionen auf die Leinwand geworfen. Hier also korrespondieren nun diese beide so unterschiedlichen Künstler, die sich wahrscheinlich niemals begegnet sind, auf einmal miteinander. Und lassen den Betrachter staunend verstummen.
Mark Rothko, Gemeentemuseum Den Haag, Stadhouderslaan 41, 2517 HV Den Haag, geöffnet bis zum 1. März 2015 dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr.
Frida van Dongen war auf Einladung des Gemeentemuseums und des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention in Den Haag.