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Gemeentemuseum: Rothko spricht mit Mondrian

Zur Eröffnung der Mark Rothko-Ausstellung im Gemeentemuseum Den Haag kam Rothkos Sohn Christopher als Ehrengast. Frida van Dongen war auch eingeladen und ließ sich von den großformatigen Bildern aufsaugen.

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Rothkos Sohn Christopher im Gespräch mit Journalisten im Gemeentemuseum Den Haag

„Nein, ich durfte niemals bei meinem Vater im Atelier sein. Er brauchte dort absolute Ruhe“, erläutert Christopher Rothko, während er gemeinsam mit Benno Tempel, Direktor des Gemeentemuseums in Den Haag, an den riesigen Farbflächen vorbeigeht. Rothko, geboren 1963, war nicht viel Zeit mit seinem berühmten Vater Mark vergönnt, der sich 1970 in seinem Atelier in New York das Leben nahm. Dennoch gibt Rothko Junior den internationalen Journalisten als Ehrengast der Ausstellungseröffnung ein paar persönliche Einblicke in das Leben des berühmten Malers, der zeitlebens von Depressionen geplagt wurde und doch so vielen Menschen bis heute mit seinen emotionalen Werken Trost spendet.

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Die Ausstellung, die Rothkos Sohn in dem von Berlage entworfenen Art-Deco-Prachtbau in Den Haag zu sehen bekommt, ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert: zum einen, weil in der bis zum 1. März 2015 laufenden Schau unter den 40 Werken neben Rothkos „Classic Style“ mit den berühmten Farbflächen auch das Frühwerk des amerikanischen Künstlers gezeigt wird. Zum anderen, weil Rothkos Oeuvre in Beziehung zu dem Künstler gesetzt wird, mit dem er so oft verglichen wurde und von dem das Gemeentemuseum die weltgrößte Sammlung an Bildern besitzt: Piet Mondrian.

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Frühwerk: Rothkos “Underground Fantasy”, circa 1940

Weil Rothko die Interaktion mit dem Betrachter seiner Werke wichtig war, hat der Künstler detaillierte Anweisungen verfasst, wie und in welcher Umgebung seine Bilder zu hängen seien. Die Macher der Ausstellung im Gemeentemuseum haben dies berücksichtigt. So findet sich der Besucher des ansonsten von freundlichem Tageslicht erhellten Gemeentemuseums diesmal in gedimmten Räumen wieder, mit niedrig gehängten, überlebensgroßen Farbflächen, die einen aufzusaugen scheinen.

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„Die flimmernden Farbschichten haben eine unglaubliche Intensität“, erläutert Franz W. Kaiser, Chefkurator des Museums, und ergänzt, dass die Farbtiefe durch das dämmrige Licht noch erhöht wird. Wer schon einmal die Rothko Chapel in Houston (USA) mit ihren hohen Decken besichtigen durfte, wird vielleicht zunächst ein wenig enttäuscht sein, dass die riesigen Leinwände im Gemeentemuseum zuweilen ein wenig eng nebeneinander platziert sind. Doch wer in die gekachelten Kabinette des Museums vordringt, wo einzelne Werke Rothkos präsentiert werden, steht ehrfürchtig vor dieser wunderbaren Allianz aus Architektur und bildender Kunst.

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Kabinettstück: kleine Rothko-Kapellen im Gemeentemuseum

Benno Tempel gibt in seiner Einführung keine Gebrauchsanleitung für die Ausstellung. „Natürlich kann man chronologisch vorgehen“, sagt der Museumsdirektor und verweist auf frühe Bilder wie „Metro Fantasie“ von 1940, wo Mark Rothko noch den figurativen Stil pflegte, bis er sich vom figürlichen verabschiedete und ab Ende der 1940er Jahre seinen inzwischen berühmten „Classic Style“ etablierte. Man könne aber auch einen emotionalen Weg durch die außergewöhnliche Schau wählen: sich von den sehr persönlichen Werken verschlingen lassen, die universelle Gefühle wie Angst, Ekstase, Tragik und Euphorie darstellten.

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Welchen Weg auch immer man wählt: wahrscheinlich werden die meisten Besucher am Ende vor zwei nebeneinander platzierten Gemälden Piet Mondrians und Mark Rothkos stehen. Die beiden Pioniere der abstrakten Kunst sind hier mit ihren jeweils letzten Werken vertreten: Mondrian mit seinem „Victory Boogie Woogie“ (1940), mit dem der große niederländische Künstler das Leben und die Freiheit feiert. Daneben Rothkos unbetiteltes, für seine Verhältnisse kleinformatige Gemälde: in schreiendem Rot, als habe der von Seelenkummer geplagte Mann sich ein letztes Mal aufgebäumt und all seine Emotionen auf die Leinwand geworfen. Hier also korrespondieren nun diese beide so unterschiedlichen Künstler, die sich wahrscheinlich niemals begegnet sind, auf einmal miteinander. Und lassen den Betrachter staunend verstummen.

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Mark Rothko, Gemeentemuseum Den Haag, Stadhouderslaan 41, 2517 HV Den Haag, geöffnet bis zum 1. März 2015 dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr.

Frida van Dongen war auf Einladung des Gemeentemuseums und des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention in Den Haag.

Mit dem Oma-fiets durch Amsterdam

Radfahren wie eine Holländerin – ein Abenteuer, das Frida van Dongen nicht immer mühelos meisterte.

Der Tipp des niederländischen Kollegen klingt dubios: einfach in der Dämmerung an eine Amsterdamer Gracht gehen, einer finsteren Gestalt um den Häuserblock folgen und dann in einer Giebelhausgasse das Geschäft abschließen: ein „oma-fiets“ für 20 Euro – ein Schnäppchen! Die Frage, ob das nicht illegal sei, straft der Kollege mit Augenrollen. Weil die unbedarfte Deutsche der Verdacht beschleicht, dass so ein „oma-fiets“ vielleicht traditionell von alten Damen gestohlen wird, kauft sie lieber ein klappriges 5-Gang-Fahrrad in einem Fahrradladen ihres Vertrauens – für 120 Euro. Nicht inbegriffen im Preis: eine 30-gliedrige Stahlsicherungskette, die auch als Wegfahrsperre für Straßenkreuzer geeignet wäre.

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Die Jungfernfahrt zur Arbeit fällt am nächsten Morgen ins Wasser. Es schüttet aus Kübeln. Dennoch ist der Fahrradparkplatz vor dem Verlagsgebäude der Redaktion „Trouw“ in Amsterdam zugestellt. Der niederländische Kollege schält sich aus seiner Ganzkörperregenhaut und ruft: „Ahh, heute endlich mal keine Touristen auf den Radwegen.“ Die Deutsche schweigt betreten.

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Mit der Anschaffung eines Fahrrads hat die Nachbarin aus dem Osten immerhin schon einen wichtigen Schritt zur Integration getan. Denn in Holland dreht sich sprichwörtlich alles ums Rad: rund 57 Prozent der Amsterdamer nutzen ihr Velo täglich, im Straßenverkehr haben Radfahrer einem ungeschriebenen Gesetz zufolge immer Vorfahrt und der nationale Fahrradbund ist so mächtig, dass er beim Umbau des Rijksmuseums erfolgreich einen Fahrradtunnel forderte, was die Eröffnung des Kunsttempels beträchtlich verzögerte.

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Die Deutsche wagt sich nach Abklingen des Dauerregens eine Woche später in den Fahrradkrieg auf die Straßen Amsterdams. In Ermangelung einer Klingel hilft nur Schreien: „Let op!!!“, wenn Touristen mit ihren Rollkoffern über den Radweg schleichen oder verliebte Pärchen die Grachten entlang schwanken. Zum guten Ton gehört auch entnervtes Schnauben, wenn die Amsterdamer Stadtreinigung die Straßen säubert oder die Straßendecke sich hebt, um ein Schiff durchfahren zu lassen.

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Nach einer Woche glaubt die Deutsche, dass sie dazugehört. Sie ist hartgesotten im Regen vom Westen in den Osten der Stadt geradelt. Sie hat jede Menge rote Ampeln ignoriert, Autofahrern kalt lächelnd die Vorfahrt genommen, Kollegen auf dem Gepäckträger durch die Stadt chauffiert. Sie hat die Angewohnheit niederländischer meisjes getestet, eine Radtour vom Start bis Ziel mit Handy am Ohr zu absolvieren. Und sie hat ihr Fahrrad immer auf einem legalen Fahrradparkplatz an einer unverrückbaren Befestigung angeschlossen. Immer. Bis auf einmal.

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Da musste sie zur Centraal Station, hatte es furchtbar eilig, und ignorierte deshalb den weiter entfernten Fahrradparkplatz, über den alle Stadtführer jubeln, er sei der größte, schönste und modernste in Europa. Stattdessen machte sie das fiets direkt am Haupteingang des Bahnhofs an einem Halteverbotsschild fest. Als sie eine Viertelstunde später wieder aus dem Gebäude tritt, steht an dem Verkehrsschild ein finster dreinblickender, uniformierter Mann mit einer ratternden Motorsäge in der Hand. Eine Bewegung, und die Stahlsicherungskette des Fahrrads ist durch.

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Die Deutsche erstarrt zuerst in Fassungslosigkeit, dann fleht sie unter Tränen: Geben-Sie-mir-mein-Rad-zurück-ich-brauch-das-doch-bin-Ausländerin-und-wusste-ja-nicht. Der Mann zieht wortlos mit Rad und Säge ab, setzt das Rad zu den anderen 50 fietsen auf den Wagen und drückt der Parksünderin ein rotes Infoblatt in die Hand. Es informiert darüber, dass von den geschätzten 881.000 Fahrrädern in Amsterdam rund 24.000 im Jahr beim „Fietsdepot“ landen – Diebesgut oder eben illegal geparkt. Abzuholen sei das Rad in Westlichen Hafengebiet von Amsterdam, etwa eine Dreiviertelstunde mit Öffentlichen Verkehrsmitteln vom Zentrum entfernt. Mitzubringen seien zehn Euro „Bearbeitungsgebühr“, ein Ausweis und der Schlüssel für die durchtrennte Kette – um zu beweisen, dass man auch der Eigentümer ist.

Natürlich ist die ratlose Deutsche an diesem Morgen die Witzfigur bei den niederländischen Kollegen. „In Amsterdam ist alles erlaubt: Prostitution, Drogenkonsum, Glücksspiel. Aber sein fiets an Centraal Station abstellen, das geht überhaupt nicht“, spottet einer, und ergänzt, dass die Fahrt zur Abholstation ein Initiationsritual sei, dass jeder Neu-Amsterdamer absolvieren müsse.

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Die Reise dorthin ist unspektakulär, und man findet im Industriegebiet immer jemanden, der den Weg  kennt – oder selbst dorthin will. In einem Verschlag ist jedes fiets in einer Datenbank registriert. Innerhalb von fünf Minuten hat der freundliche Fahrrad-Verwalter das gesuchte Objekt ausgemacht, nachdem er allerlei Kennzeichen abgefragt hatte: Fundort, Farbe und besondere Merkmale.

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Als die Deutsche den Schlüsseltest bestanden hat und wieder in Besitz ihres Fahrrads ist, traut sie sich zu fragen: Was ist eigentlich ein oma-fiets? Der Mann lacht. „Ein »oma-fiets« ist das, was ihr Deutschen »Holland-Rad« nennt. Auf dem schon unsere Großmütter durch Amsterdam radelten. Es ist die Oma aller Fahrräder, die einen sicher an das andere Ende der Stadt bringt, die extra Pflege braucht, weil sie etwas betagt ist, die aber abgöttisch geliebt wird.“

Frida van Dongen

Die Geschichte wurde zuerst im Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlicht

Fotos: Frida van Dongen (4), NBTC (4)

Infos über Mietfahrräder in Amsterdam

Infos über Radfahren in Holland

Rothko in Den Haag: Kontemplation im Gemeentemuseum

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Seine Farben sind intensiv und seine Kompositionen gleichen einander ebenso, wie sie unverwechselbar sind. Dabei strahlen die Bilder von Mark Rothko eine meditative Ruhe aus. Wer die Werke des Amerikaners lettischen Ursprungs (1903-1970) betrachtet, kann sich ihnen nicht mehr entziehen. Bald werden die Bilder von Mark Rothko in Den Haag zu sehen sein. Die erste Einzelausstellung in den Niederlanden seit 40 Jahren wird am 20. September eröffnet, die Exponate werden bis zum 1. März 2015 gezeigt.

Perle der Moderne: Das Gemeentemuseum in Den Haag

Perle der Moderne: Das Gemeentemuseum in Den Haag

Ich selbst werde mir die Bilder von Rothko in Den Haag auf jeden Fall ansehen. Dabei hoffe ich auf eine Fortsetzung der erhabenen Begegnungen, die ich in der Vergangenheit bereits mit dem Künstler hatte. In der texanischen Megalopolis Houston etwa hat Rothko eine ganze Kapelle mit Gemälden ausgestattet. Die Hülle von Rothko Chapel stammt von Philip Johnson. Das Bauwerk dient der Kontemplation und der unangestrengten Suche nach Spiritualität – ein Ort von unvergleichlicher Erhabenheit, den man nicht unbedingt im testosteronbeladenen Texas erwarten würde.

Rothko Chapel in Houston, Texas

Rothko Chapel in Houston, Texas

Nicht minder beeindruckend ist der Saal in der Tate Modern, der den großflächigen Werken Rothkos vorbehalten ist. Auch hier, mitten im hektischen London, verbreiten die Bilder eine Aura der Ausgeglichenheit, die in schrillem Kontrast zum schwierigen Leben des Künstlers steht: Rothkos junge Jahre wurden durch die desillusionierenden Erlebnisse aus zwei Weltkriegen geprägt. Der Maler wurde von Depressionen heimgesucht. Trotz seiner gequälten Seele aber gelang es ihm, Kunst von dauerhaftem Wert zu schaffen.

Rekordsummen auf Kunstmessen

Bei Auktionen erzielen seine Werke ebenso wie auf Kunstmessen Rekordsummen. Hier auch habe ich ein drittes Rothko-Erlebnis von bleibendem Wert gehabt: Bei der TEFAF in Maastricht war ein Rothko für den Betrag von ungefähr 50 Millionen Euro zu haben. Die Grundfarben waren weiß und orange. Ich habe eine knappe Stunde vor dem Bild verbracht – unbehelligt von anderen Besuchern.

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Die Ausstellung in Den Haag wird in dieser Form nur im Gemeentemuseum zu sehen sein. Rothkos typische Kompositionen, für die im allgemeinen der Terminus Classic Style verwendet wird, bilden naturgemäß einen Schwerpunkt der Schau. Allerdings wollen die Kuratoren auch das gegenwärtig weniger beachtete Frühwerk in ein neues Licht rücken. Dabei soll die These belegt werden, dass Rothko mit einer Art fauvistischem Realismus als Ausgangspunkt eine sehr eigene Form des Surrealismus entwickelte, um sich danach für die völlige Abstraktion zu entscheiden.

“Blurry Mondrians?”

Die Verantwortlichen im Gemeentemuseum Den Haag unternehmen die Anstrengungen auch deshalb, weil sie der Meinung sind, dass ihr Haus der geeignete Ort für eine Retrospektive ist: Das Museum beherbergt die größte Mondrian-Sammlung der Welt, und dieser Künstler hat wie kein anderer einen sehr deutlichen Weg zur Abstraktion zurückgelegt. Obwohl es Rothko zunächst nicht schätzte, dass seine Werke von einem Kunstkritiker „blurry Mondrians“ genannt wurden, war Mondrian eine seiner Inspirationsquellen. Er nannte ihn sogar den „sinnlichsten Maler, den er kannte“, womit der auf den Farbgebrauch des niederländischen Künstlers anspielte.

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In der Ausstellung sollen denn auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung der wichtigsten Künstler der ersten und zweiten Generation von Pionieren der abstrakten Kunst veranschaulicht werden.

Zur Ausstellung erscheint ein reichlich illustrierter Katalog, unter anderem mit Beiträgen von Joost Zwagerman, Franz-W. Kaiser und Harry Cooper. Es ist auch ein interessantes Interview mit dem Kunsthistoriker Henk van Os zu lesen, der Mark Rothko in den letzten Monaten seines Lebens regelmäßig in dessen Atelier besuchte.

Informationen:

Mark Rothko, 20. September bis 1. März 2015, Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr, Gemeentemuseum Den Haag, Stadhouderslaan 41, 2517 EH Den Haag, Eintritt: 13,50 Euro.

www.gemeentemuseum.nl

Ralf Johnen, Juli 2014, Bilder: Ralf Johnen (2), Gemeentemuseum (3)

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Ein Gedicht aus Stahl und Glas: Die Van Nelle-Fabrik in Rotterdam ist nun Weltkulturerbe

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Das Komitee des UNESCO-Weltkulturerbes hat die „Van Nelle Fabrik“ in Rotterdam mit dem Status „Weltkulturerbe“ ausgezeichnet – eine Anerkennung der Einzigartigkeit der ehemalige Kaffee-, Tee und Tabakfabrik, die zwischen 1925 und 1931 erbaut wurde.

Rotterdam steht für experimentierfreudige Architektur. Die Hafenstadt allerdings macht nicht erst seit von sich reden, seitdem Rem Koolhaas, Norman Foster und Renzo Piano oder das Büro MVRDV hier ihre einschlägigen Spuren hinterlassen haben. Vielmehr versucht sich die Malocherstadt schon seit Generationen von Amsterdam und anderen auf pittoreske Tradition setzende Städte zu unterscheiden. Lange vor der großflächigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg konnte die architektonische Moderne hier Fuß fassen. Als wahre Architekturikone gilt Kennern die „Van Nelle Fabriek“ (so die niederländische Schreibweise), die nun von der UNESCO geadelt wurde.

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Ein Gedicht aus Stahl und Glas

Das Industriegelände der Van Nelle Fabrik – ein Ensemble von miteinander verbundenen Gebäuden – ist eines der Highlights der industriellen Architektur aus dem 20. Jahrhundert. Bereits kurze Zeit nachdem die Van Nelle-Fabrik in Rotterdam entworfen und erbaut wurde, beschrieben prominente Architekten die Fabrik als „den schönsten Anblick der modernen Zeit“ (Le Corbusier, 1932) und „ein Gedicht aus Stahl und Glas“ (Robertsen und Yerbury, 1930). Der amtierende Rotterdamer Bürgermeister Ahmed Aboutaleb erklärte, dass „die Van Nelle Fabrik definitiv eines der historischen Symbole ist. Ein Bauwerk einzigartig in seiner Form und Material und aus der sozialen Perspektive seiner Zeit weit voraus.“

Eine ideale Fabriek

Der Bauherr, Kees van der Leeuw, sowie die Architekten Johannes Brinkmann und Leendert van der Vlugt hatten sich als Ziel gesetzt, die „ideale Fabrik“ zu entwerfen: funktional, gut aussehend und offen. Natürliches Licht wurde verwendet, um ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ein Beweis für die Sorge um das körperliche und geistige Wohlbefinden der Mitarbeiter – zu dieser Zeit kein selbstverständliches Merkmal der Industrie.

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Die Van Nelle Fabriek heute

Nach dem Produktionsstop im Jahr 1955, suchten die damalige Besitzerin der Fabrik, Sara Lee, und die Gemeinde nach einer neuen Möglichkeit, den Komplex weiterhin zu nutzen. Der Verkauf an die „CV Van Nelle Designfabrik“ erschuff eine neue „Van Nelle Gemeinde“. Direktor Roger Meertens erklärt: „So wie es vorher war, ist die aktuelle „Van Nellefabriek“ ein inspirierendes Arbeitsumfeld, an dem mehr als 80 Unternehmen die schönsten Dinge des täglichen Lebens entwickeln und an dem alle Arten von nationalen und internationalen Veranstaltungen inszeniert werden. Wir interpretieren die sozio-kulturelle Funktion der fortschreitenden Fabrik und die Ideen des Mannes neu, der sie entworfen hat, Kees van der Leeuw.“

Die erfolgreiche Sanierung der Fabrik wurde zwischen 1999 und 2006 vorgenommen, unter der Leitung des Bauherrs Volker Wessels. Wessel de Jonge fungierte als koordinierender Architekt. Die UNSECO würdigte die Tatsache, dass die sorgfältige Restaurierung die ursprüngliche Form des Komplexes erhalten hat. Besucher und neue Unternehmen können so nachvollziehen, welchen Reiz die Van Nelle Fabriek ausmacht.

Erstes Weltkulturerbe in Rotterdam

Für die Niederlande ist es nicht die erste Auszeichnung als Weltkulturerbe. Neben den Amsterdamer Grachten, den Mühlen von Kinderdijk, dem Beemster Polder, dem Schokland, dem Wattenmeer, dem Rietveld-Schröder-Haus, dem D.F. Wouda Dampfschöpfwerk und der Stellung von Amsterdam, darf sich nun auch die Van Nelle Fabriek Weltkulturerbe nennen.

Weitere Informationen:

vannellefabriek.com

rotterdam.info

holland.com

Ralf Johnen auf Basis eines Textes des Niederländischen Büros für Tourismus und Convention (NBTC), Bilder: Rotterdam Partners

Insel wird Festland: Urk in der Provinz Flevoland

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Wenn eine Insel zum Festland wird, das Meerwasser sich von salzig zu süß wandelt und in der Folge Mücken- und Spinnen-Plagen über die Menschen hereinbrechen – dann drängt sich der Gedanke an biblische Prüfungen auf. Doch die Wandlungen, denen die Bewohner der niederländischen18.000-Seelen-Ortschaft Urk ausgesetzt wurden, waren von Menschen gemacht: Einst eine Insel in der Zuiderzee, wurde Urk 1939 zum Festland, als man den Nordostpolder trockenlegte. Die Zuiderzee nannte man nunmehr Ijsselmeer, das Wasser verlor sein Salz, und in der Folge surrten die Insekten über das ehemalige Eiland.

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Die Bewohner von Urk ertrugen es mit Gleichmut, als sei nur eine Böe an ihnen vorbeigezogen. Im historischen Zentrum werkeln sie heute wie einst an ihren kleinen Häusern mit den hübschen Holzgiebeln, grüßen sich in den Gässchen beim Vornamen, lauschen nach einem der 20 Kirchen- und Männerchöre und fahren immer noch von dem Fischerhafen unterhalb des weißgetünchten Leuchtturms zur See. Der Fischfang und -handel ist nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Urker.

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Nicht nur durch den Fischfang, sondern auch wegen der Religiosität der Bewohner ist der Name Urk den meisten Niederländern ein Begriff. Die Ortschaft in der Provinz Flevoland gilt nach wie vor als die frommste Gemeinde unseres Nachbarlandes. Das Städtchen zählt 17 Kirchen, sonntags drängen sich die Gläubigen in den Gotteshäusern. Und weil die protestantischen Urker ihren Glauben pflegen, geben sie angeblich mehr für wohltätige Zwecke aus als in jedem anderen Ort in Westeuropa. Die Statistik schreibt der Frömmigkeit zudem die Tatsache zu, dass die Geburtenrate hier mit 3,23 Kindern pro Frau die höchste in den Niederlanden ist. Und die Kinder werden natürlich nicht beim Geschlechtsakt gezeugt, sondern einer Urker Legende zufolge von einem Storch auf einem Felsen vor der Küste des Ijsselmeeres abgelegt, wo die Männer hinrudern, um die Babys abzuholen – zum „Ommelebommelestien“.

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Auf diesen Ommelebommelestien deutet Jaap Koffeman, als er am Fischermonument steht und von der Anhöhe auf das Ijsselmeer blickt. Der Pensionär führt Besucher durch seinen Geburtsort, und nach einer Tour durch den Ortskern, vorbei am Hafen mit seinen alten Holzschiffen und dem Leuchtturm, steht er nun vor Gedenktafeln, die an verstorbene Fischer erinnern: bei Sturmfluten oder Schiffsunglücken ums Leben gekommene Seeleute. Das Fischermonument ist bedeckt mit Blumen, Kränzen oder Gebinden mit Seester- nen und Muscheln. „Es gibt keine Familie aus Urk, die hier niemanden zu betrauern hat“, meint Koffeman und wischt sich eine Träne aus dem Auge. Wenn Koffeman von seinem Heimatort spricht, sagt er „op Urk“, als wäre das Städtchen noch immer eine Insel. „Das Inselgefühl ist noch immer da“, bestätigt er dann auch, und es klingt fast ein wenig trotzig, wenn er dabei über das Ijsselmeer schaut.

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Das Museum „Het Oude Raadhuis“ ist im ehemaligen Rathaus von 1905 untergebracht. Hier wird die ungewöhnliche Geschichte der ehemaligen Insel und ihrer Bewohner erzählt. Besonders sehenswert ist eine alte Fischerwohnung: Sie wird in den Sommermonaten von ehrenamtlichen Darstellern „bewohnt“, die in Urker Tracht von vergangenen Zeiten erzählen.

Frida van Dongen im Juni 2014. Die Reise wurde vom Tourismusbüro Flevoland und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Covention unterstützt.

Fotos (5): Toerisme Flevoland

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Popstars aus dem 17. Jahrhundert: Das Mauritshuis in Den Haag

Das Mädchen mit dem Perlenohrring Mauritshuis Johannes Vermeer Den Haag The girl with the pearl earring 25

Die “Mona Lisa des Nordens”: Vermeers “Mädchen mit dem Perlenohrring” ist der Popstar des Mauritshuis

Der erste Roman war kostspielig für das Mauritshuis in Den Haag: Nachdem „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Tracy Chevalier zum Bestseller-Roman und die anschließende Verfilmung mit Scarlett Johannsen zum Blockbuster geworden sind, wurde das Museum geradezu belagert. Weiterlesen