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Jahresrückblick Grachten und Giebel

So, die letzten Weihnachtsplätzchen sind weg geknabbert, und der über 1000 Seiten zählende, grandiose Wälzer „Der Distelfink“ final zur Seite gelegt – Zeit für Frida van Dongen, sich vom Sofa zu erheben und ein paar Zeilen für den Jahresrückblick für grachtenundgiebel.de zu schreiben. Denn am 10. Januar wird unser Holland-Blog ein Jahr alt.

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Großartiger Wälzer mit dem Distelfink aus dem Mauritshuis in einer Hauptrolle

 Es begann mit Ralfs kleiner Tour durch das „alte Holland“ mit den drei Städten Gouda, Leiden und Delft, ihren Käsemärkten, der königlichen Porzellanmanufaktur, Holzbrücken und Windmühlen.

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Junges meisje im alten Holland

Ralf blieb auch in den nächsten Blogs dem alten Holland treu, schwelgte er doch in Erinnerungen an eine Reise ins Wasserstädtchen Giethoorn mit seinen paar Brücken und Kanälen, das einige Reiseführer in völliger Verkennung der Relationen „Venedig des Nordens“ nennen, bevor er dann gedanklich ins ebenfalls abwegigerweise so betitelte Amsterdam weiterreiste – ein melancholischer Rundgang in Schwarz-Weiß.

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Alles andere als farblos: die Grachten von Amsterdam

Was machte eigentlich Co-Autorin Frida van Dongen die ganze Zeit? Tja, sie war wohl im besten Falle mit der Holland-Recherche beschäftigt, denn bis Mai war lediglich ihr Allerwertester als Autorenprofil auf dem Blog zu sehen.

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Frida in Aktion

Dann aber legte sie los: Sie schwärmte über das Hotel „De Campveerse Toren“ in Zeeland, wo sie wie eine Prinzessin ruhte, genoss Sauna und Pfefferminz-Shampoo im Mainport Hotel in Rotterdam, bevor die Holland-Autorin einen kulturellen Ausflug ins neu eröffnete Mauritshuis in Den Haag machte, wo sie den bezaubernden kleinen „Distelfink“ von Carel Fabritius bewunderte, der Donna Tartts Bestseller den Titel gab. Es folgten ein Besuch des Gemeentemuseums in Den Haag, wo Frida Mark Rothkos Sohn Christopher über den Weg lief und ein Tänzchen auf dem Oranje-Ball, wo aber eine andere Dame neben FC-Legende Dirk Lottner posierte – Frida saß da schon wieder am Schreibtisch, um zu texten.

Herren und Damen des ruhenden Balls: Dirk Lottner, Alexandra Klaus und Autor Ralf Johnen

Ball-Gesellschaft: Dirk Lottner, Alexandra Klaus & Ralf Johnen – Frida war schon wieder weg.

High Society und Kultur konnten aber über all die Monate ein Thema nicht toppen: Holländisches Fernsehen in Deutschland zu empfangen – dieser Blog-Beitrag schlug alle anderen Themen auf unserem Holland-Blog bei weitem. Mit fast 1000 Aufrufen seit der Veröffentlichung am 17. Juni, kurz nach Anpfiff der WM in Brasilien, ist der Service-Text auch weiterhin der Favorit der Leser von grachtenundgiebel.de.

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Oranje-Fieber: auch in Deutschland kann man mit ein paar Tricks holländisches TV empfangen.

Wir freuen uns sehr, dass unser Holland-Blog so großen Anklang findet und von Woche zu Woche eine größere Leserschaft aufweist! Was darf man denn für nächstes Jahr erwarten? Wir möchten mehr Service-Geschichten schreiben, etwa zum Fahrradfahren in den Niederlanden, auch Restaurant-Kritiken sind noch unterrepräsentiert. Ebenso wollen wir unseren Lesern noch eher unbekannte Regionen Hollands wie etwa die Achterhoek vorstellen. Und wer noch einen Wunsch für einen Text hat: gerne mitteilen, damit Frida nicht für alle Geschichten durchs Bullauge klettern muss.

Nun wünschen Ralf und Frida euch erstmal einen guten Rutsch in ein „gelukkig nieuw jaar“! Bis 2015 auf grachtenundgiebel.de

Micropia in Amsterdam: Ein Zoo für Minitierchen

Der kleinste Bär der Welt ist höchsten einen Millimeter groß und mit bloßem Auge kaum sichtbar. Doch als ich in „Micropia“ durch ein Spezialmikroskop linse, erkenne ich deutlich, wie das tapsige Wesen mit seinen dicken Beinen gemütlich durch die es umgebende Flüssigkeit stapft. Das „Bärtierchen“, mit wissenschaftlichem Namen „Tardigrada“ (langsamer Schritt) ist ein bemerkenswertes Lebewesen, wie ich auf der nebenstehenden Schautafel erfahre: es kann rund zehn Jahre ohne Wasser auskommen und – so haben es offenbar Experimente ergeben – sowohl im All als auch in hoher Radioaktivität überleben.

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Kleinster Bär der Welt: Tardigrada können unter extremsten Bedingungen überleben. Foto: Micropia

Zu sehen ist das außergewöhnliche Tierchen in „Micropia“, der neuesten Attraktion in Amsterdam. Als Teil des altehrwürdigen Tiergartens „Artis“ nennt sich die Einrichtung „Mikrobenzoo“ und will Lebewesen sichtbar machen, die der Normalbürger normalerweise nicht bewundern kann. „Zweidrittel der Natur sind unsichtbar“, erläutert Artis-Zoodirektor Haig Balian, der bereits in seiner Jugend den Wunsch verspürte, die Zusammenhänge der Natur in ihrer Gesamtheit darzustellen und Micropia als Ergänzung des klassischen Tierparks sieht.

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Die Welt der kleinsten Lebewesen zeigt Artis-Direktor Haig Balian im Micropia in Amsterdam.

Die Idee für Micropia kam ihm durch seine Kinder. Seine pubertierenden Teenager brachten damals neue Themen in die Familie und so beschäftigte er sich beispielsweise mit der Frage, was eigentlich in wissenschaftlicher Hinsicht bei einem Kuss passiert – ein Austausch komplexer Flora und Millionen von Mikroben. Dies übrigens kann man heute in „Micropia“ im Kiss-o-Meter selbst auf spielerische Art und Weise testen. Aber ich schweife ab…

Mikroben. Sie sitzen auf euch, sie sind in dir, und du hast mehr als hunderttausend Milliarden. Foto Micropia, Bianca Pilet

Jeder Mensch schleppt zig Milliarden Mikroben mit sich herum. Foto: Micropia, Bianca Pilet

Balian hatte sich also in den Kopf gesetzt, ausgerechnet die Welt der Mikroben und Viren zu zeigen, also jene Lebewesen, die eine denkbar schlechte Reputation haben. Aber lediglich ein Prozent machen tatsächlich krank, so der Wissenschaftler. Es dauerte trotzdem unter anderem deshalb zwölf Jahre bis zu Umsetzung, weil heute zahlreiche lebende Mikroben gezeigt werden, was einiges an technischem Knowhow erfordert. Zudem werden sie im eigenen Labor gezüchtet. Aber keine Sorge: während diverse Mikroben lebend zur Schau gestellt werden, sind Ebola, HIV & Co nur als beeindruckende gläserne Modelle zusehen.

Die Meeresleuchttierchen (Noctiluca scintillans) erzeugt Lichteffekte in den Wellen. Foto Micropia, Wim van Egmond

Hübsch: Die Meeresleuchttierchen Noctiluca scintillans erzeugen Lichteffekte. Foto: Wim van Egmond.jpg

In dem mit modernster Museumstechnik ausgestatteten Micropia können Besucher nun die Tierchen entdecken, die Antoni van Leeuwenhoek bereits im 17. Jahrhundert typisierte, als er sie mit seinem grade entwickelten Mikroskop in Sperma oder Zahnbelag entdeckt hatte. Dabei blickt das moderne Publikum durch speziell für Laien angefertigte Mikroskope auf diejenigen Tierchen, von denen jeder Mensch hunderttausend Milliarden mit sich herumschleppt. Da schüttelt es den ein oder anderen, wenn er sich in den „Körperscanner“ stellt und herausfindet, dass er mehr Bakterien im Mund hat als es Menschen auf Erden gibt….

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Beim Körperscan werden die eigenen Mikroben entdeckt. Foto: Maarten van der Wal.jpg

Ich jedenfalls habe mich in dem ungewöhnlichen Zoo bestens amüsiert und eine lehrreiche Zeit verbracht. Auch die langen Öffnungszeiten (von donnerstags bis samstags jeweils bis 20 Uhr) finde ich sehr ansprechend. So kann man sich erst ein wenig mikrobiologisch bilden – und dann beim Küssen an den Amsterdamer Grachten Millionen Mikroben austauschen.

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Ein Kuss an den Amsterdamer Grachten – und Millionen Mikroben wechseln ganz unromatisch die Besitzer

Frida van Dongen war auf Einladung von Amsterdam Marketing in Micropia. Ihre Begeisterung kam von allein.

Fotos: Micropia (6), Frida van Dongen (1)

Micropia Artisplein, Plantage Kerklaan 36-38, Amsterdam (im Zoo Artis, aber auch ohne Zooticket zugänglich). Geöffnet montags bis Mittwochs von 9 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis samstags von 9 bis 20 Uhr, sonntags von 9 bis 18 Uhr. Geignet für Besucher ab acht Jahren. Eintritt: 14 Euro Erwachsene, 7,50 Euro Studenten, 12 Euro für Kinder von 3 bis 9 Jahre.

 

 

Die Welt des M.C. Escher in Den Haag

An einem kalten Wintertag brach ich einst in Tränen aus: ich hatte versucht, M.C. Eschers Gemälde „Sky and Water I“ nachzumalen. Ha, was war ich doch für ein Naivchen! Wie kann ein Mensch sich anmaßen, die schier unglaublichen, auf mathematisch ausgefeilten Berechnungen basierenden Gemälde des genialen Grafikers einfach mal so nachmalen zu wollen?

Unmöglich, die Arbeiten von M.C. Escher nachzumalen.

Unmöglich, die Arbeiten von M.C. Escher nachmalen zu wollen

Meine Begeisterung für M.C. Escher rührt von einem Besuch des Museums „Escher in het Paleis“ (Escher im Palast) vor einigen Jahren. Ehrlich gesagt, hatte ich vorher noch nie von dem niederländischen Künstler gehört, mich lockte zunächst der ehemalige Königspalast im Herzen Den Haags.

Im ehemaligen Königspalast befindet sich das Museum Escher in het Paleis in Den Haag

Im ehemaligen Königspalast befindet sich das Museum Escher in het Paleis in Den Haag

Der einstige Winterpalast der Königin-Mutter Emma ist das einzige royale Gebäude in Den Haag, in dem man die ehemalige Palastfunktion noch erfahren kann. Und ja, das opulente, gerade erst restaurierte Treppenhaus und die prächtigen Räumlichkeiten sind schon für sich einen Besuch wert. Aber der wahrhafte Schatz sind die zauberhaften Arbeiten von M.C. Escher, die hier in einer Dauerausstellung gezeigt werden.

Das spektakuläre Treppenhaus im Museum Escher in het Paleis in Den Haag.

Das spektakuläre Treppenhaus im Museum Escher in het Paleis in Den Haag.

Mit rund 150 Werken, die im Museum „Escher im Palast“ ausgestellt werden, umfasst die Ausstellung fast das gesamte Oeuvre des weltberühmten niederländischen Künstlers M.C. Escher (1898-1972). Es reicht von „unmöglichen“ Darstellungen, in denen wie etwa im Bild „Tag und Nacht“, Vögel aus holländischen Wiesen zu wachsen scheinen und vom Tag in die Nacht fliegen, über „Treppauf treppab“, wo Menschen in einer unendlichen Schleife Treppen hinauf und herunter gehen, bis hin zu seltsamen Salamandern, die ineinander übergehen. Das Juwel der Ausstellung ist das sieben Meter lange Werk Metamorphose III: Der längliche Holzschnitt lässt den Betrachter die Verbindung von Ewigkeit und Unendlichkeit erfahren, in der sich Zeit und Raum zu einem organischen Ganzen vereinen.

Metamorphose III: Der längliche Holzschnitt lässt den Betrachter die Verbindung von Ewigkeit und Unendlichkeit erfahren

Metamorphose III: Der Holzschnitt lässt Betrachter die Verbindung von Ewigkeit und Unendlichkeit erfahren

Außer den berühmten Drucken werden im Palast auch frühe Werke des aus Leeuwarden (Friesland) stammenden Künstlers ausgestellt, z.B. italienische Landschaften, Studien von maurischen Mosaiken und bizarre Stillleben. Das Leben Eschers wird anhand von Familienfotos gezeigt, außerdem erklärt die Ausstellung seine Arbeitsweise auf anschauliche Art und Weise.

Wahre Größe? Ralf Johnen von Grachtenundgiebel.de und Gastautorin Alexandra Klaus machten die Probe in Escher in het Paleis

Wahre Größe? Ralf Johnen von Grachtenundgiebel.de & Gastautorin Alexandra Klaus in Escher in het Paleis

In der zweiten Etage befindet sich eine interaktive Präsentation unter dem Titel: „Sehen wie Escher“. Hier werden auch ältere Semester wieder zu verspielten Kindern, wenn sie sich etwa in einer magischen Kugel spiegeln. In „Eschers Zimmer“ betreten wir dann im Wortsinne dessen magische Welt: Zwerge erscheinen hier wie Riesen – und Ralf musste sich unter der Decke ducken, obwohl er doch auf demselben Boden stand wie unsere Gastautorin Alexandra, die aber wiederum winzig wirkte. „Eschers Zimmer“ mit seiner optischen Täuschung ist ein beliebtes Motiv im Museum, Hochzeitspaare etwa kommen eigens für Aufnahmen hierher.

Ungewöhnliche Kronleuchter erhellen das Museum Escher in het Paleis in Den Haag

Ungewöhnliche Kronleuchter erhellen das Museum Escher in het Paleis in Den Haag

Um das fantasievolle Ambiente abzurunden, ist der ehemalige Winterpalast erleuchtet von eigenartigen Kronleuchtern in Form von Haien oder gar Totenköpfen: Hans van Bentem, ein Künstler aus Rotterdam, entwarf die opulenten Lampen. Nun hängt im Ballsaal ein enormer Stern, der sich endlos in zwei klassischen Spiegeln wiederholt. In anderen Sälen schweben eine Spinne und ein Seepferdchen über den Werken von Escher.

Frida van Dongen

Bilder: Escher in het Paleis

Escher im Palast, Lange Voorhout 74, 2514 EH Den Haag, www.escherinhetpaleis.nl

Frida van Dongen war auf Einladung des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention in Den Haag.

Ralf Johnen

Rotterdam Markthalle MVRDV GrachtenundGiebelHollandBlogNiederlandeRalfJohnenZuidHollandArchitekturKoolhaas22Ralf Johnen ist Buchautor, Blogger und Journalist. Er besitzt einen holländischen Pass und hat während der Schulzeit sämtliche Ferien in Holland verbracht. Ralf ist den Städten Rotterdam und Den Haag verfallen und er besitzt ein blau-weißes Trikot mit der Rückennummer 25 und dem Aufdruck “Huntelaar”.

Frida van Dongen

Frida van Dongen ist Journalistin und Bloggerin. Sie hat in Amsterdam für die Tageszeitung “Trouw” gearbeitet und schreibt zurzeit an ihrem ersten Roman. Frida liebt Amsterdam und die Kleider von Designer Jan Taminiau. Für gute Geschichten ist ihr kein Bullauge zu klein.

OV-Chipkaart: Bargeldlos Bahnfahren

Was habe ich sie geliebt, die gute alte Strippenkaart: dieses lange Stück Papier, das man in den klingelnden Fahrkartenautomaten schob oder auf das ein (meist) gutgelaunter Schaffner in der Tram seinen Stempel donnerte. Sukzessive haben sich die niederländischen Verkehrsbetriebe von der altertümlichen Streifenkarte verabschiedet – und an ihre Stelle ein elektronisches Ticket gesetzt, eine Art Kreditkarte für den gesamten öffentlichen Nahverkehr, von der jede gefahrene Strecke abgebucht wird. Bislang konnten sich Touristen noch mit papiernen Einzelfahrscheinen durchmogeln, doch seit diesem Sommer ist die OV-Chipkaart im ganzen Land eingeführt. Frida van Dongen und Ralf Johnen haben sie getestet.

Wir stehen etwas ratlos am neuen Hauptbahnhof von Rotterdam: überall Automaten, aber wie wir jetzt an die OV-Chipkaart kommen, sehen wir nicht. Wir gehen also ins Servicecentrum der Rotterdamer Verkehrsbetriebe. Nach kurzem Schlange-stehen erklärt uns der freundliche Mitarbeiter, dass wir als Touristen eine anonymisierte Karte kaufen sollten. Niederländer hingegen hätten meist eine personalisierte Karte, die zum Beispiel automatisches Aufladen des Guthabens vom Bankkonto ermöglicht.

Das Servicecenter im neuen Bahnhof von Rotterdam

Das Servicecenter im neuen Bahnhof von Rotterdam

Für die namenlose Karte sind 7,50 Euro fällig, damit ist auf dem elektronischen Ticket für Busse, Straßenbahnen und Züge jedoch noch kein Guthaben. Ebenso weist der Schaltermitarbeiter darauf hin, dass bei Rückgabe der Karte für die Rückerstattung des Guthabens eine Verwaltungsgebühr von 2,50 Euro erhoben wird. Zehn Euro sind also auf jeden Fall futsch. Wir buchen zunächst 25 Euro auf unsere Karten und ziehen los. Nicht ohne dem Hinweis zu lauschen, dass wir für die Nutzung der Niederländischen Bahn (NS) die Karte gesondert aktivieren müssten (und die Karte für Bahnreisen stets ein Mindestguthaben von 20 Euro aufweisen muss). Ach ja, und der nette Service ist mit 0,50 Euro pro Karte zu Buche geschlagen.

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Der Service ist freundlich und kostet 0,50 Euro

Als wir in die Tram zum neuen Student Hotel (Bericht folgt) steigen, machen wir es den Rotterdamern nach und halten die Chipkarte gegen das Lesegerät. Dieses zeigt mit einem grünen Licht und einem Piepen an, dass die Karte gelesen wurde: „Goede reis“ ist zu lesen. Sobald man wieder aussteigt, wiederholt man den Vorgang, und man sieht sofort, wie viel des Guthabens verbraucht wurde. Auschecken an der Chipkarten-Säule beim Aussteigen ist wichtig – sonst läuft der Zähler weiter. Ganz ausgefeilt scheint das System übrigens nicht zu sein: als Ralf mehrmals durch den Bahnhof gegangen war, hatte offenbar die Chipkarte in seiner Tasche auf die Lesegeräte reagiert und war auf kostenpflichtige „Reise“ gegangen – allerdings ohne Ralf. Als dieser am nächsten Tag für eine Zugfahrt einchecken wollte, fehlten ihm 30 Euro; sie waren ihm für eine Fahrt abgebucht worden, die er gar nicht gemacht hatte.

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An den Ladestationen kann man seine OV-Chipkaart aufladen.

In der niederländischen Politik regt sich Widerstand gegen die Chipkarte: eine Mehrheit der Zweiten Kammer will das Ticket in seiner jetzigen Form abschaffen, war jüngst in niederländischen Medien zu lesen. Unter anderem kritisieren die Politiker das umständliche ein- und auschecken. Ich hatte hiermit  keine Probleme, und grundsätzlich finde ich die Karte recht praktisch. Wer allerdings viel auf Datenschutz hält, den beschleicht ein ungutes Gefühl: gerade bei den personalisierten OV-Chipkarten könnte theoretisch jede Bewegung des Reisenden per Bussen und Bahnen nachvollzogen werden. Das finde ich schon einen unangenehmen Gedanken… Und so bin ich froh, als Touristin eine anonyme Karte zu haben.

Modern bezahlen mit der OV-Chipkaart auch in historischen Gefährten

Modern bezahlen mit der OV-Chipkaart auch in historischen Gefährten

Der eindeutige Vorteil der OV-Chipkaart ist natürlich , dass man sich nicht (wie beispielsweise in Köln) über Tarife und Zonen für einzelne Strecken kümmern muss, sondern die Kosten für einzelne Fahrten automatisch berechnet und abgebucht werden.

Frida van Dongen

Weitere Informationen: OV-Chipkaart

Arbeiten an den Amsterdamer Grachten

Für zwei Monate als Journalist in Amsterdam arbeiten und wohnen? An den Grachten entlang zur Arbeit radeln? Das geht! Mit dem deutsch-niederländischen Journalistenstipendium IJP. Bis 31. Oktober 2017 könnt ihr euch bewerben.

Ich durfte 2007 Dank des Austausch-Programmes nach Amsterdam und arbeitete dort zwei Monate bei der Tageszeitung „Trouw“. Und kann nur sagen: es war fantastisch!

Unser IJP-Jahrgang beim Sprachkurs in Baarlo

Wij spreken Duits en Nederlands: unser IJP-Jahrgang beim Sprachkurs in Baarlo

Wo fange ich an: beim etwas unorthodoxen zweiwöchigen Sprachkurs in einem leicht verwitterten Schloss im limburgischen Baarlo? Wo Teilnehmer ohne oder mit nur geringen Niederländischkenntnissen beim Spazierengehen unregelmäßige Verben in die Landschaft brüllen sollen? Bei den morgendlichen Radtouren zur Arbeit, die an den Grachten entlang, aber auch mitten durchs Rotlichtviertel gingen? Bei meinen Zeitungsrecherchen, die mich für eine Geschichte über die Umwidmung von Kirchen in Diskotheken oder Supermärkte durchs halbe Land führte? Bei meinem Stolz über meine erste große Geschichte in „Trouw“ – auf Niederländisch!? Bei den Freundschaften, die ich in der Zeit gefunden und Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe?

Beim Spaziergang auch noch unregelmäßige Verben büffeln... Aber es klappte!

Beim Spaziergang auch noch unregelmäßige Verben büffeln… Aber es klappte!

Na, Lust gemacht? Noch nicht ganz überzeugt? Okay: neben dem kostenlosen Intensivsprachkurs und der Gelegenheit zur Mitarbeit bei einem renommierten Medium in den Niederlanden (bzw. für niederländische Journalisten in Deutschland) ist das Stipendium auch mit einer einmaligen Zahlung von 3.500 Euro für alle Teilnehmer verbunden. Die beiden treibenden und bestens vernetzten Kräfte hinter dem Austausch – die bekannte deutsche Fernsehmoderatorin Anke Plättner und der niederländische Kommunikationsfachmann Rob Meines – laden darüber hinaus immer wieder interessante Gesprächspartner zu diversen Diskussionsveranstaltungen während des Austausches ein. Nicht zuletzt sind sowohl die Einführungstagung in den Niederlanden als auch die Abschlussveranstaltung in Berlin inspirierende Konferenzen, bei denen teilweise heiß diskutiert wurde über die Erfahrungen in den Gastländern – und natürlich auch viel gefeiert.

Ausflüge standen auch auf dem Programm - wie hier in Rotterdam auf der Jacht des Bürgermeisters

Ausflüge standen auch auf dem Programm – wie hier in Rotterdam auf der Yacht des Bürgermeisters

Was müsst ihr tun, um über das IJP in die Niederlande zu kommen? Zunächst müsst ihr Journalisten sein. Ganz gleich, ob ihr freie Mitarbeiter, Volontäre oder Redakteur bei deutschen Medien seid. Niederländisch müsst ihr (wie oben geschrieben) nicht können, wohl aber solltet ihr über gute Englischkenntnisse verfügen. Eine kleine Hürde war für mich, dass ich meinen Ressortleiter um (natürlich unbezahlten, haha, wäre ja noch schöner gewesen) Urlaub für die Zeit bitten musste. Er musste mir zudem ein journalistisches Gutachten schreiben, das zugleich die Bewerbung unterstützt, ggf. die Beurlaubung für die Zeit des Stipendiums sicherstellt und als journalistischer Tätigkeitsnachweis dient. Ich habe ihn erfolgreich bequatscht, dass ich ihm ein paar gute Geschichten aus Holland liefern würde (was ich auch gemacht habe). Und Geld hat der gute Mann ja auch noch gespart… Und dann müsst ihr euch ein bisschen sputen, denn die Bewerbungsfrist läuft nur noch bis 31. Oktober 2017. Die genauen Bedingungen findet ihr auf der Internetseite.

Nun ja gearbeitet habe ich auch ein wenig: in der Redaktion "Religion & Philosphie", geleitet von Lodewijk Dros (l.)

Nun ja, gearbeitet habe ich auch ein wenig: in der Redaktion “Religion & Philosophie”, damals geleitet von Lodewijk Dros (l.)

Ich habe übrigens meine Begeisterung für die Niederlande aus dem Austausch mitgenommen: ein Jahr später wechselte ich vom Kölner Stadt-Anzeiger zum Niederländischen Büro für Tourismus und arbeite dort seitdem als Pressesprecherin. Als wir bei einer  Alumni-Konferenz in Amsterdam zusammenkamen, hörte ich noch einige Geschichten von Stipendiaten, für die der Austausch etwas bewirkt hat: einige sind bei ihren Medien die Holland-Experten, andere haben die Koffer gepackt und sind in ihr früheres Gastland gezogen. Und es soll sogar zwei Austausch-Babys geben…

Ist schon ne Weile her: die Autorin während des Austauschs in Amsterdam...

Ist schon ne Weile her: die Autorin während des Austauschs in Amsterdam…

Alexandra Klaus schreibt als Gastautorin auf grachtenundgiebel

http://www.ijp.org/stipendien/niederlande/

Muscheln: das “schwarze Gold” aus Zeeland

Wer in diesen Wochen ein kölsches Brauhaus besucht, findet dort auf der Speisekarte unter Garantie Miesmuscheln – meist auf „rheinische Art“ zubereitet, also in Gemüsesud und mit Zwiebeln gegart, dazu eine Scheibe Schwarzbrot. Dass man das „schwarze Gold“ aus Holland auch auf andere Weise zubereiten – und sogar roh genießen – kann, zeigte uns ein junger Küchenchef jüngst bei einem Kochabend des niederländischen Muschelbüros und des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention (NBTC) in Köln.

Koch Pim van Engelenburg zeigte den Gästen die hohe Muschel-Kunst

Koch Pim van Engelenburg zeigte den Gästen die hohe Muschel-Kunst

Erwartungsfroh steht Muschelzüchter Gert de Keijzer am Eingang der Kochschule Rheinauhafen in Köln: seine Schürze umgebunden, eine Zange in der Hand, offeriert er den Gästen seine Spezialitäten. Doch deutschen Besucher sind beim Blick in das Behältnis erst einmal skeptisch: Muscheln roh verzehren? So wie Austern? Ob das wohl schmeckt? Oh ja, versichert eine Dame, und nascht nach dem ersten Versuch gleich mehrmals aus dem Muscheltopf.

Ein Canapé mit Muscheln aus Zeeland

Ein Canapé mit Muscheln aus Zeeland

Bei dem Medienabend der Niederländer kamen aber auch weniger wagemutige Feinschmecker auf ihre Kosten: Koch Pim van Engelenburg zeigte bei einer Kochshow, welche verschiedenen Variationen der schwarzen Schalentiere aus seiner Heimat möglich sind. Die Bandbreite reicht vom Klassiker in Weißweinsoße über gratinierte Miesmuscheln, Canapés und ein feines Muschelsüppchen bis hin zu Muschel-Wraps. Frida van Dongen mundete ganz besonders die thailändische Muschelpfanne – dass man die holländischen Klassiker auch mit einer exotischen Note zubereiten kann, wusste sie bis zu dem Abend noch nicht.

Es muss nicht immer der rheinische Klassiker sein: auch auf thailändische Art schmecken Muscheln aus Zeeland

Es muss nicht immer der rheinische Klassiker sein: auch auf thailändische Art schmecken Muscheln aus Zeeland

Mit der Veranstaltung wollten die Veranstalter nicht nur Werbung für Muscheln als typisch holländisches Produkt machen. Sie wollten darüber hinaus auch zeigen, dass die niederländische Provinz Zeeland kulinarisch viel zu bieten hat – und damit dort auch Urlauber auf ihre Kosten kommen, die bislang die Niederlande nur mit Kroketten und Fritten in Verbindung brachten. Was ja auch „lekker“ ist. Die Gäste jedenfalls waren oftmals überrascht, was in der bei Deutschen so beliebten Provinz alles auf den Tisch kommt: so wurden bei dem Kochabend nicht nur Miesmuscheln in verschiedensten Variationen serviert, sondern auch mit Meerwasser gebackenes Brot („Pain de Mer“) und köstlicher Käse in Form der traditionellen Knöpfe der zeeländischen Kleidertracht. Dazu kredenzten die Veranstalter zeeländischen Wein vom Weingarten „De kleine Schorre“: Frida mundete besonders gut der Auxerrois, der sich exzellent mit den Meeresfrüchten verträgt.

Muscheln und Wein aus der niederländischen Provinz Zeeland

Muscheln und Wein aus der niederländischen Provinz Zeeland

Wie Muschelzüchter Gert uns erläuterte, werden die Muscheln in Zeeland schon seit rund 150 Jahren gezüchtet. Vom Herbst bis ins Frühjahr kommt das “schwarze Gold” in Restaurants in der gesamten Provinz auf den Tisch, und in zahlreichen Fischerorten gibt es während der Saison   Muscheltouren. Rund 57 Millionen Kilo Miesmuscheln produzieren die Niederlande jedes Jahr und exportieren sie nach Belgien, Frankreich und Deutschland. Die Zuchtgebiete in der Oosterschelde und im Wattenmeer sind insgesamt etwa 6.000 Hektar groß. Auf Miesmuschelparzellen im offenen Meerwasser wachsen die Muscheln hier in anderthalb bis zwei Jahren heran. Zwischendurch werden sie immer wieder umgesetzt, um mehr Platz zum Wachsen zu haben und nicht von Seesternen oder Krabben “vernascht” zu werden.

Das "schwarze Gold" wird in Zeeland schon seit ca. 150 Jahren geerntet

Das “schwarze Gold” wird in Zeeland schon seit ca. 150 Jahren geerntet

Zeeland und der Muschelfang sind fest miteinander verbunden. Viele Menschen leben hier seit Generationen von den Schalentieren. Darum wissen sie, wie wichtig Nachhaltigkeit in der Fischerei ist. So wird die Miesmuschelzucht auf künstlichen Bänken immer weiter abgebaut, damit wieder natürliche Miesmuschelbänke und Seegrasfelder entstehen können. Die Muschelkutter bringen ihren frischen Fang stets direkt zur Miesmuschelauktion in der zeeländischen “Miesmuscheln-Hauptstadt” Yerseke. Hier kaufen Muschelrestaurants in der Umgebung schließlich das Produkt, das die Provinz kulinarisch berühmt macht. Auf den Tellern der Urlauber sind sie dann nicht nur frisch gefangen und lecker, sondern auch gesund: Die zeeländische Köstlichkeit enthält viel Eiweiß und wenig Fett, außerdem ist sie reich an Mineralen und Vitaminen.

"Lekker" sind die Muscheln auch als feines Süppchen - und gesund sind sie sowieso!

“Lekker” sind die Muscheln auch als feines Süppchen – und gesund sind sie sowieso!

Wir haben uns an dem Abend also auch gesundheitlich etwas Gutes getan! Zum Nachkochen habe ich euch noch das Rezept für die Thailändische Muschelpfanne an Land gezogen:

Eet smakelijk! Eure Frida van Dongen

Fotos: Martin Scherag für das NBTC

Thailändische Muschelpfanne

4 Personen, Zubereitungsdauer: 25 Minuten, Hauptgericht

Zutaten:

300 g Pandanreis

4 kg Miesmuscheln

3 EL Öl

2 Zwiebeln, grob geschnitten

2-3 EL Thailändische rote Currypaste (Glas)

1 Bund Bok Choy, in Streifen geschnitten

1 Päckchen cremige Kokosmilch (200 ml)

1 Bund Koriander, grob gehackt

1 Limette, in Stücke zerteilt

Zubereitung

Den Reis nach den Anweisungen auf der Verpackung kochen. Die Muscheln überprüfen.

In einem großen hohen Kochtopf das Öl erhitzen, Zwiebeln 3 Min. anschwitzen und die Currypaste und Bok Choy hinzugeben.

Die Kokosmilch darüber gießen und die Muscheln auf das Gemüse legen.

Die Muscheln im geschlossenen Topf zum Kochen bringen und 6-8 Min. oder bis sich alle Muscheln geöffnet haben, kochen lassen.

Den Koriander über die Muscheln streuen und mit Schälchen duftendem Reis und Limetten servieren.

Tipp: Ihr könnt auch zu dem Bok Choy 200 g Zuckerschoten oder eine abgetropfte Dose Maiskörner (200 g) geben

Die Markthalle von Rotterdam: Wiedergeburt der Event-Architektur

Markthallen scheinen bislang ein Phänomen südeuropäischer Länder zu sein: In Barcelona etwa tummeln sich Touristen und Einheimische seit über 150 Jahren in der berühmten Boqueria , um zu shoppen und zu schlemmen. Seit 1. Oktober darf sich auch Rotterdam einer Markthalle rühmen. Königin Máxima eröffnete die erste überdachte Markthalle der Niederlande und zugleich neue Bauikone der Architekturstadt. Ralf Johnen durfte sich schon vorher umsehen – allerdings ohne zu naschen.

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Neue Bauikone: die Markthalle im Zentrum von Rotterdam.

Event-Architektur war gestern. Zu zahlreich sind mittlerweile die Baumeister, die Frank O. Gehry nacheifern. Zu austauschbar sind die Gebäude, die dem Guggenheim-Museum in Bilbao ähneln wollen. Und zu oft ist die Idee kopiert worden, mit einer einzigen Bau-Ikone dem daniederliegenden Tourismus neues Leben einhauchen zu wollen.

Das zumindest dachte ich – bis ich erstmals die Pläne für die neue Markthalle von Rotterdam gesehen habe. Nun wurde der von zwei riesigen Rundbögen geprägte Bau von Königin Maxima eröffnet. Und die Idee der Bauikone scheint mit einem Male wieder brillant, denn die vom örtlichen Architekturbüro MVRDV entworfene Markthalle wird Jahr für Jahr große Mengen von Besuchern nach Rotterdam locken, da bin ich mir absolut sicher.

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Das moderne Bauwerk Markthal steht mitten in der Innenstadt von Rotterdam.

Die Idee dahinter ist so einfach, wie sie dem Zeitgeist entspricht. Kaum etwas nämlich liegt mehr im Trend unserer zunehmend hedonistischen Gesellschaft, als hochwertige Nahrungsmittel. Und eben jene werden seit dem 1. Oktober in spektakulärer Kulisse inszeniert, zur Schau gestellt, verkauft und, ja, auch konsumiert.

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Das riesige Kunstwerk “Horn of Plenty” von Arno Coenen und Iris Roskam ziert die Markthalle

Das Konzept als solches wäre noch kein Garant für Erfolg, schließlich gehören Markthallen zum festen Inventar vor allem südländischer Städte. Die von MVRDV lancierte Idee aber ist neu: Die Architekten haben in die beiden gewölbten Außenwände 228 Wohnungen eingebaut – mit direktem Blick auf das Marktgeschehen und mit zum Teil großartigen Aussichten auf die aufregende Stadt. Oben werden die 40 Meter hohen Bögen durch eine 120 Meter lange Verbindung abgeschlossen.

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Noch sind einige der Wohnungen in der Markthalle in Rotterdam zu haben

Hinzu kommt, dass sich die Markthalle von Rotterdam im Stadtviertel Blaak befindet, das sich in den vergangenen Dekaden ohnehin zu einer Spielwiese für Architekten entwickelt hat. Nicht zuletzt ihrer anhaltenden Kreativität verdankt die Stadt ihren Ruf, zu den interessantesten „Second Cities“ Europas zu gehören. Kaum eine Stadt mit rund einer Million Einwohner ist derart pulsierend und innovativ.

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Blick von der Markthalle auf einen weiteren Geniestreich in Rotterdam: Die Kubuswohnungen von Piet Blom.

Doch es sind wie gesagt nicht allein Stadtplanung und Architektur, welche die Markthalle zu einer Attraktion machen: Die rund 100 Stände versprechen permanente lukullische Freuden. Ein Garant hierfür zum Beispiel ist die beste Fischhandlung Hollands, Schmidt Zeevis, die sich mit drei Partnern zu den „Fresh Food Friends“ zusammengetan hat. Hinter dem „Mart Café“ stecken dieselben Personen, die das Grand Café „Dudok“ zur besten Adresse für Apfelkuchen gemacht haben. Und „Van Vliet Siroopwafels“ kultivieren die holländische Kultur der Stroopwafel.

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Noch isst Autor Ralf Johnen den Hering im Freien. Doch seit Oktober gibt es Fisch auch in der überdachten Markthalle

Im Keller befindet sich zudem eine XL-Filiale der Supermarktkette „Albert Heijn“. Diese soll dafür bürgen, dass auch die Rotterdamer selbst den Weg in die City suchen, um den Alltagseinkauf mit dem Besuch der Spezialitätengeschäfte zu verknüpfen. Auch das scheint ein überzeugender Gedanke – beide Seiten brauchen keine Berührungsangst voreinander zu haben.

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Augenzwinkern allerorts: hier bei den Markierungen der Parkplätze im Kellergeschoss der Markthalle

Ebenfalls im Kellerbereich haben die Amsterdam Architekten Kossman.DeJong eine „Zeiten-Treppe“ eingerichtet, bei der jene archäologischen Funde ausgestellt werden, die während des Baus der Markthalle zum Vorschein kamen. So können die Besucher durch die Epochen wandeln – und die Macher zeigen, dass das oft als gnadenlos modern verschriene Rotterdam auch ein Herz für seine lange Historie hat.

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Herz für Historie: Blick von einem Penthouse der Markthalle auf die Laurenskerk

Wenig begeistert waren zunächst einige Beschicker des Wochenmarktes, der traditionell jeden Dienstag und Samstag in nur einem Steinwurf Entfernung auf dem ehemaligen Bahngelände abgehalten wird. Nur wenige mochten von dem Angebot Gebrauch machen, an unterschiedlichen Standorten ihre Waren anzubieten, um fortan sieben Tagen die Woche von 10 bis 20 Uhr in der Markthalle von Rotterdam präsent zu sein.

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Der alte Wochenmarkt soll wie bisher stattfinden, auch wenn es nun eine moderne Markthalle gibt

Einige haben es dennoch gewagt. Die anderen bauen darauf, von der Event-Architektur zu profitieren. Der Bilbao-Effekt 2.0 scheint geboren. Grachtenundgiebel.de behält die Situation im Auge und wird demnächst darüber berichten, wie sich die Realität nach der Eröffnungseuphorie entwickelt.

Weitere Informationen:

Die Markthalle ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet, einige Gastronomiebetriebe haben auch länger auf. Unter der Markthalle von Rotterdam befindet sich eine rund um die Uhr geöffnet Tiefgarage.

Weitere Märkte in Rotterdam:

cityguiderotterdam.com/de/aktivitaten/shoppen/markt-rotterdam/

rotterdampartners.com

markthal.nl

Ralf Johnen, Oktober 2014. Der Autor war von Rotterdam Partners und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention eingeladen, sich die Markthalle von Rotterdam anzusehen.